Sondergipfel: Eine Milliarde Euro für Versorgung syrischer Flüchtlinge

Eine Flüchtlingsfamilie wartet in Kroatien auf ihre Weiterfahrt.
Eine Flüchtlingsfamilie wartet in Kroatien auf ihre Weiterfahrt.REUTERS
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Eine Milliarde Euro soll an UN-Organisationen fließen, um syrische Flüchtlinge in Nachbarstaaten zu unterstützen. Hotspots sollen bis Ende November kommen.

Im größten Flüchtlingsdrama seit dem Zweiten Weltkrieg nehmen die Europäer Milliarden zur Krisenbekämpfung in die Hand. Mit diesem Kraftakt wollen die EU-Staaten ihre gemeinsamen Außengrenzen besser sichern und schutzbedürftigen Menschen in Krisengebieten helfen. Das beschloss der EU-Sondergipfel am Donnerstagmorgen in Brüssel.

Die EU gibt nun eine Milliarde Euro zusätzlich zur Versorgung syrischer Flüchtlinge in Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes. Das Geld soll laut Abschlusserklärung etwa an das UN-Welternährungsprogramm und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fließen. Dem Welternährungsprogramm (WFP) fehlt das Geld; die Organisation musste ihre Unterstützung für Vertriebene bereits kürzen, was teilweise zu Engpässen in Lagern führte.

EU-Hotspots bis Ende November

Die europäischen "Hotspots" zur Registrierung von Flüchtlingen in Italien und Griechenland sollen bis spätestens Ende November eingerichtet sein. Diesen Zeitplan vereinbarten die EU-Staats- und Regierungschefs nach Worten von Bundeskanzler Werner Faymann. Faymann zeigte sich mit den Ergebnissen des Treffens zufrieden. Die Mehrheitsentscheidung der EU-Innenminister zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa sei beim Gipfel "ziemlich unbestritten" gewesen. Befürchtungen, dass der Beschluss noch einmal umgedreht werde, hätten sich aufgelöst.

Wer wie viel für die zusätzliche eine Milliarde Euro, die die EU für Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens ausgeben will, zahlen muss, steht noch nicht fest. Faymann erwartet, dass der Anteil aus dem EU-Budget und die nationalen Beiträge der EU-Staaten in den nächsten Tagen entschieden werden. Österreich werde sich beteiligen, in der Regel betrage der Anteil 2,3 Prozent. "In dieser Größenordnung werden wir für zusätzliche bilaterale Unterstützung tätig werden."

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollte die Flüchtlingshilfe für die Türkei für das laufende und das kommende Jahr auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestockt werden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird am 5. Oktober in Brüssel zu Gesprächen erwartet. Von der Finanzhilfe soll auch Afrika mit 1,8 Milliarden Euro profitieren. Außerdem will die EU ihre Grenzschutzagentur Frontex stärken - auch dafür gibt es zusätzliches Geld. Laut EU-Kommission sollen die Gelder, die vor allem zur Flüchtlingshilfe eingesetzt werden, im Vergleich zum Jahresbeginn insgesamt auf 9,2 Milliarden Euro verdoppelt werden. Zunächst waren 4,5 Milliarden Euro vorgesehen.

Merkel: Gespräche mit Assad nötig

EU-Ratspräsident Donald Tusk rechnete am Gipfel noch mit großen Herausforderungen für Europa: "Die größte Flüchtlingswelle wird noch kommen." Die "Politik der offenen Türen und Fenster" müsse beendet und die EU-Außengrenzen müssten besser geschützt werden. Vor dem nächsten EU-Gipfel in drei Wochen gebe es noch viel zu tun, aber "es kann so nicht weitergehen". Sonst bestehe die Gefahr, dass der Schengen-Raum zerfalle, sagte Tusk. Das Schengen-System garantiert das Reisen ohne Grenzkontrollen zwischen 26 Staaten (22 EU-Staaten sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein).

Auch die Lösung des Syrien-Konflikts stand auf der Agenda der EU-Spitze. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hält dafür auch Gespräche mit Syriens Staatschef Bashar al-Assad für nötig. "Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, dazu gehört auch Assad", sagte Merkel am EU-Sondergipfel. Es müssten aber auch andere Akteure in der Region einbezogen werden wie der Iran oder Saudi-Arabien.

WFP: Syrer brauchen noch lange Hilfe

Dabei geht WFP davon aus, dass die syrischen Flüchtlinge noch lange auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden. "Wir müssen leider für einen Zeitraum von mehreren Jahren planen", sagte Rasmus Egendal, der bis vor einer Woche stellvertretender WFP-Koordinator für die Syrien-Hilfe in Amman war, der Deutschen Presse-Agentur. Trotz internationaler Bemühungen um eine politische Lösung des seit 2011 andauernden Konflikts hätten die meisten Flüchtlinge die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat aufgegeben. Dies sei einer der Gründe für die aktuelle Fluchtbewegung aus Syrien und seinen Nachbarstaaten nach Europa.

Das WFP hatte wegen fehlender Finanzmittel die Zahl der Syrien-Flüchtlinge, die Unterstützung erhalten, von 1,6 Millionen auf 1,3 Millionen Menschen reduziert. Außerdem wurde der Wert der elektronischen Lebensmittel-Gutscheine im Durchschnitt halbiert. In Syrien musste die UN-Organisation die Notrationen für über vier Millionen Menschen um über ein Viertel reduzieren. Um die Nothilfe bis zum Jahresende aufrechterhalten zu können, fehlen dem WFP noch 278 Millionen US-Dollar (knapp 250 Mio. Euro).

(APA)

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