Syrien: Assad wird wieder hoffähig

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Nun spricht sich auch Deutschlands Kanzlerin, Merkel, für Verhandlungen mit Syriens Diktator, Assad, aus. Russland hat Assad - und sich selbst - auf der diplomatischen Bühne wieder ins Spiel gebracht.

Kairo. Entlarvender hätten die Gegensätze kaum sein können: Während randvoll beladene Kriegsschiffe aus Moskau den Bosporus in Richtung Syrien durchqueren und Satellitenfotos von russischen Kampfjets auf dem Rollfeld von Latakia zirkulieren, schickten die USA dieser Tage den zweiten Trupp ihrer frisch trainierten Syrer-Rebellen über die Grenze, 75 Freiwillige in Jeeps mit leichten Waffen. Die erste Gruppe wurde vor acht Wochen bereits nach wenigen Stunden von Jihadisten aufgerieben. Nicht zuletzt solche Details belegen, dass der Westen bei der syrischen Tragödie nur noch an der Peripherie präsent ist. Die Europäer wissen, dass sie spätestens im kommenden Jahr eine neuerliche Massenflucht aus Syrien nicht mehr bewältigen können. Und die USA werden sich bis zum Ende der Amtszeit von Barack Obama in 16 Monaten strikt weigern, vor Ort mit eigenen Bodentruppen einzugreifen.

Angesichts der verfahrenen Lage forderte nun auch die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, in Friedensgespräche einzubeziehen. „Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, dazu gehört auch Assad“, sagte Merkel. Es müssten aber auch andere Akteure in der Region einbezogen werden, wie der Iran oder Saudiarabien. Vor ihr traten bereits Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, und Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, für Verhandlungen mit Assad ein. Kurz sprach sogar von einem Schulterschluss mit Assad gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, ein erbitterter Gegner des syrischen Diktators, bekräftigte, dass Syrien mit Assad keine Zukunft habe. Erstmals konzediert er jedoch, Assad könne eine Rolle in einer Interimsphase spielen.

Kreml-Sprecher Peskow lobte Merkels Worte. Das stimme mit dem überein, was der russische Präsident, Wladimir Putin, bereits öfter gesagt habe. Russland hat im Syrien-Konflikt klar Position bezogen: ausschließlich zugunsten Assads. Nun tritt Putin in Syrien noch entschlossener als bisher auf. Er bringt eigene Truppen und modernste Waffen in Stellung, verhandelt mit Assad-Gegnern wie Saudiarabien und koordiniert sich mit Israel.

Übergangsregierung in Damaskus

Das Geschehen in Syrien verteilt sich mittlerweile auf zwei Schauplätze: Zum einen geht es um die Zukunft und das künftige Machtarrangement in einem Rest-Syrien entlang der Küste, in dem noch die Hälfte der verbliebenen Bevölkerung lebt. Zum anderen geht es um die Expansion des IS und das Vorrücken der radikalen al-Nusra-Front im Norden und Osten, deren Angehörige bis zur Eroberung von Damaskus weiterkämpfen wollen.

Putin winkt daher mit einer doppelten Offerte: zuerst eine nationale Übergangsregierung für das Post-Assad-Syrien mit einer – zeitlich befristeten – Beteiligung Assads plus Repräsentanten der moderaten Opposition. Anschließend eine massive internationale Militärfront aus den USA, Russland und Europa, dem Iran und der Türkei, den Golfstaaten, dem Irak und Ägypten plus der Armee Syriens gegen den Islamischen Staat .

Putins Preis jedoch, ein regimedominiertes Rest-Syrien, ist für die golfarabische, türkische und westliche Diplomatie schwer zu schlucken: Assad ist für 250.000 Tote verantwortlich. Seine Schergen quälen die Menschen. Laut UN-Ermittlern sind die Verbrechen systematischer und bestialischer als während der Balkankriege der 1990er-Jahre. Mehr als vier Millionen Syrer haben jenseits der Grenzen Zuflucht gesucht, fast weitere acht Millionen irren in ihrer Heimat umher. Die Mehrheit der Unglücklichen würde lieber heute als morgen in ihre Städte und Dörfer zurückkehren, wenn sie dort ihres Lebens sicher wäre. Gleichzeitig fürchten die westlichen Führungen, dass sie im fünften Jahr des Syrien-Dramas nur noch die Wahl zwischen der schlechten und ganz schlechten Option haben: einem Triumph der Jihadisten.

Zudem könnte Putin den Westen mit dem Argument ködern, die russische Militärpräsenz werde eine unbeschränkte Dominanz des Iran und der Hisbollah in dem Minisyrien am Mittelmeer verhindern. Europa und die USA haben dem Debakel von Anfang an tatenlos zugesehen. Sollte es für den verbliebenen Rumpfstaat zu einer Art Friedensregelung kommen, könnte diese eine deutliche russisch-iranische Handschrift tragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2015)

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