Katalonien: Separatisten wollen nach Wahlsieg nun Abspaltung

Anhänger der katalanischen Separatisten in der Nacht auf Montag
Anhänger der katalanischen Separatisten in der Nacht auf MontagBloomberg
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Die Befürworter der Loslösung von Spanien errangen die absolute Mehrheit im Parlament. Premier Rajoy ist zu einem Dialog bereit.

Bei der als historisch eingestuften Wahl in Katalonien haben die separatistischen Parteien insgesamt die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament der nordostspanischen Region gewonnen. Nach Auszählung fast aller abgegebenen Stimmzettel erhielten sie aber nicht die Mehrheit der Wählerstimmen.

Das Bündnis des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas gewann danach am Sonntag 62 der insgesamt 135 Sitze. Die ebenfalls separatistische Linkspartei CUP kam auf 10 Mandate. "Wir haben gewonnen", sagte Mas. "Das Wahlergebnis gibt uns die Kraft, den Prozess (einer Abspaltung Kataloniens von Spanien) fortzusetzen. Beide Gruppierungen erhielten zusammen allerdings mit 47,8 Prozent weniger als die Hälfte der Wählerstimmen.

In Kreisen der konservativen spanischen Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hieß es dagegen, Mas sei mit seinem separatistischen Vorhaben gescheitert. Rajoy ließ am Montag aber auch wissen, dass er zu einem Dialog mit der katalanischen Regierung bereit sei. Er werde aber nicht an der Einheit des Landes rütteln. Der sozialistische Madrider Oppositionsführer Pedro Sanchez betonte: "Die Separatisten haben das Plebiszit verloren."

"Katalanen sollten Gesetze missachten"

Die linksradikale CUP hat bereits zu zivilem Ungehorsam gegenüber der spanischen Zentralregierung aufgerufen: Der Wahlausgang habe Kataloniens "Souveränität" deutlich gemacht, sagte CUP-Chef Antonio Banos am Sonntag vor Anhängern in Barcelona: "Ab Montag kann und sollte das Gesetz von den Katalanen missachtet werden", fügte er mit Blick auf Vorgaben aus Madrid hinzu. Dies betreffe "ungerechte Gesetze". "Heute wurde die Republik geboren", beschwor Bañns ein unabhängiges Katalonien.

Die katalanische Regierung hatte die vorgezogene Wahl als eine "Volksabstimmung" über eine Abspaltung der Region von Spanien angesetzt. Mas hatte angekündigt, Katalonien in 18 Monaten zur Unabhängigkeit zu führen, wenn seine separatistische Allianz Junts pel Si (Gemeinsam fürs Ja) die absolute Mehrheit von 68 Sitzen erreicht.

Schlüsselrolle für radikale Linke

Nach den Wahlergebnissen kann das Mas' Bündnis die absolute Mehrheit nur erreichen, wenn es sich mit der weit links stehenden CUP (Kandidatur der Volkseinheit) zusammenschließt. Die antikapitalistische Partei könnte demnach eine Schlüsselrolle in Katalonien einnehmen. Sie tritt ebenfalls für eine Abspaltung der Region von Spanien ein, lehnt eine Wiederwahl des Liberalen Mas zum Regierungschef aber strikt ab.

Die Madrider Zentralregierung hatte wiederholt angekündigt, eine Abspaltung Kataloniens unter keinen Umständen zuzulassen. Sie verwies auf die in der Verfassung festgeschriebene Einheit der Nation. Katalonien hatte sich bereits im Jahr 2006 zur "Nation" erklärt, doch das spanische Verfassungsgericht erkannte der Region diesen Status 2010 wieder ab. Im November 2014 verhinderte die Zentralregierung ein Unabhängigkeitsreferendum per Klage vor dem Verfassungsgericht.

Dem separatischen Wahlbündnis von Mas gehören die katalanische Regierungspartei CDC (Demokratische Konvergenz), die Linksrepublikaner (ERC) und Bürgerinitiativen an. Auf ihrer Kandidatenliste stand auch der Trainer des deutschen Fußballmeisters FC Bayern München, Pep Guardiola. Die CDC und ERC hatten bei der vorigen Wahl 2012 insgesamt 9 Sitze mehr gewonnen als jetzt.

Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung

Die liberale, prospanische Partei Ciutadans (Bürger) wurde mit 25 Sitzen (2012: 9) die zweitstärkste Kraft im katalanischen Parlament. Die ebenfalls prospanischen Sozialisten (PSC) errangen 16 Mandate, 4 weniger als vor drei Jahren. Rajoys Volkspartei (PP), die in Katalonien traditionell keine bedeutende Rolle spielt, kam auf 11 Sitze, 8 weniger als 2012.

Auf Katalonien, dessen Einwohner etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, entfällt etwa ein Fünftel der spanischen Wirtschaftsleistung und rund ein Viertel der Exporte. Zudem verfügt die "autonome Region" über einen eigene Sprache und Kultur. Besonders laut wurden die Rufe nach staatlicher Souveränität im Zuge der Finanzkrise und der im Jahr 2008 geplatzten Immobilienblase in Spanien.

Mehr als 5,5 Millionen Stimmberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Aufgrund der Bedeutung der Abstimmung war die Wahlbeteiligung deutlich höher als bei früheren Wahlen. Im Dezember finden in ganz Spanien Parlamentswahlen statt.

(APA/DPA/AFP)

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