Ungarn: "Russland ist wichtiger Partner - auch in der Zukunft"

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Sein Land setze bis ans Ende des Jahrhunderts auf Atomstrom, sagt Attila Aszódi, ungarischer Regierungsbeauftragter für den AKW-Bau in Paks. Kritik aus Österreich höre er kaum. Für die Errichtung des Kernkraftwerks würden die Unternehmen Schlange stehen.

Wien/Paks. Rund 180 Kilometer sind es von Österreichs Grenze ins ungarische Paks an der Donau, wo ab 2018 durch Russlands Rosatom ein Atomkraftwerk aus dem Boden gestampft werden soll. 2025 und 2026 sollen die beiden Nuklearblöcke ans Netz gehen. Das bestehende AKW dort wird ab 2032 abgedreht. In der Übergangszeit wird den Plänen zufolge bis zu 60 Prozent des ungarischen Strombedarfs abdecken, nach Abschalten der bestehenden Reaktoren bis zu 40 Prozent.
Auf EU-Ebene nahm Paks II mehrere Hürden – auch deshalb, weil sich Ungarn bereit erklärt haben soll, russische Exklusivrechte für die Lieferung der Brennstäbe von 20 auf zehn Jahre zu begrenzen. Die EU-Kommission prüft weiter zwei Punkte, wie ein Sprecher der „Presse“ bestätigt: Es geht um mögliche Verstöße gegen Regeln zu Staatsbeihilfe und öffentlichen Ausschreibungen. Ungarn stemmt das 12,5-Mrd.-Euro-Projekt mit einem günstigen russischen Kredit, der 80 Prozent der Kosten deckt. Der Rest kommt vom Staat. Attila Aszódi ist der Mann, den Ungarns Regierung mit Paks II beauftragt hat.

Die Presse: Die Stadt Wien teilte mit, sich auf allen Ebenen gegen das AKW Paks II wehren zu wollen. Der Umweltminister meint, es sei „sehr bedenklich, wenn mit russischer Technologie an der Grenze“ ein AKW gebaut werde. Werden Ihnen solche Bedenken im direkten Gespräch mitgeteilt?
Attila Aszódi: Ich befürchte, solche Stellungnahmen sind für Österreichs Innenpolitik gedacht und haben weniger mit Paks zu tun. In den sehr guten und offenen Gesprächen mit Behörden- und Regierungsvertretern gab es solche Aussagen nicht. Da ging es um Detailfragen zur Umweltverträglichkeitsstudie. Auch bei der öffentlichen Anhörung hatte ich ein gutes Gefühl. Es gibt immer einige, die behaupten, erneuerbare Energie könnte alles abdecken. Die Fakten sprechen dagegen.

»Es gibt ein großes Interesse von asiatischen und europäischen Konzernen, zum Beispiel von Alstom, Siemens und Rolls-Royce. «

Experten kritisieren, dass in der Studie Großunfälle nicht ausreichend berücksichtigt seien, durch die radioaktives Material in die Umwelt und so auch nach Österreich gelangen könnte.
Diese Kritik ist nicht fundiert. Es gibt strenge EU-, IAEA- und ungarische Sicherheitsauflagen, wonach auch sehr unwahrscheinliche Szenarien mit sehr schweren Folgen in der Studie berücksichtigt werden müssen. Und deshalb werden mehrere zusätzliche Sicherheitssysteme in Paks eingebaut, unter anderen sehr robuste, doppelwändige Gebäude, die auch im Falle eines Großunfalls die Radioaktivität innerhalb der Anlage halten. Wir sind selbst auf ein Ereignis wie Fukushima vorbereitet. Wir haben das alles den Experten auf österreichischer Regierungsseite erklärt. Sie waren damit zufrieden. Ich sehe keinen Grund, die Dokumente zu ändern.

Auch mit Blick auf die Donau gibt es ernste Bedenken, weil die abgeführte Abwärme den Fluss auf 30 Grad erhitzen wird.
Die einzige Auswirkun,g die wir im Normalbetrieb sehen, ist tatsächlich die Wärmebelastung der Donau. Damit haben wir aber schon viel Erfahrung. Schon jetzt wird die Donau durch das abgeführte Kühlwasser erwärmt, aber nie über 30 Grad. Es wird sich nun nur das Ausmaß ändern: Der Streifen in dem der Temperaturunterschied größer als 2,5 Grad ausmacht, ist derzeit derzeit zwei Kilometer lang, zwischen 2025 und 2032 werden es elf Kilometer sein, danach nur ein Kilometer. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Flora und Fauna dadurch nicht beeinträchtigt werden.

EU-Ziel ist es, die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern. Warum geht Ungarn den entgegengesetzten Weg?
Tun wir das wirklich? Deutsche und österreichischen Firmen einigten sich mit Russland, die North-Stream-Kapazitäten zu verdoppeln. Soweit ich weiß, hat auch die OMV gute Beziehungen nach Russland. In Finnland wird ein ähnliches AKW errichtet, an dem Rosatom sogar mit 34 Prozent beteiligt ist. Russland ist in Fragen der Energietechnologie und Energieressourcen ein wichtiger Partner, nicht nur heute, auch in der Zukunft. Das gilt nicht nur für Ungarn. Und wenn wir die bestehenden Reaktoren, die 2032 bis 2037 vom Netz gehen, nicht ersetzen, brauchten wir mehr Erdgas. Es ist viel riskanter, auf Gaslieferungen angewiesen zu sein, weil der Pipeline-Zufluss sehr leicht unterbrochen werden kann. Kernbrennstoff kann dagegen für zwei, drei Jahre gespeichert werden.

Sie haben Deutschland angesprochen, das ja den Atomausstieg angekündigt hat. Da geht Ungarn jedenfalls in eine andere Richtung.
Wir wissen nicht, ob dieser deutsche Weg überhaupt machbar ist. Nach Fukushima haben die Deutschen acht von siebzehn Reaktoren abgeschaltet und die CO2-Emmissionen sind daraufhin drastisch gestiegen. Verstehen Sie mich nicht falsch, mir gefällt wie Deutschland etwa Biomasse entwickelt. Aber die Zahlen zeigen klar, dass traditionelle Energiequellen noch immer das Rückgrat der europäischen Energieversorgung sind, was aber nicht bedeutet, dass nicht zugleich auch diversifiziert werden soll.

Aber Ungarn verringert nicht einmal seine Abhängigkeit von Kernenergie. Warum nicht?
Wir haben keine Alpen und kaum Wasserkraft wie Österreich. In Ungarn ist Ebene. Das sind ganz andere Bedingungen. Von den 28 EU-Ländern importieren nur zwei anteilsmäßig mehr Strom als Ungarn. Wir brauchen also Nuklearenergie, um billig Strom zu erzeugen, ohne Schadstoffemmission, für die Klimaziele, und weil sie verlässlich ist. Wir wollen daher die Abdeckung von 40 Prozent des Strombedarfs durch Paks auf lange Sicht halten, bis zum Ende des Jahrhunderts. Die anderen 60 Prozent bieten breiten Spielraum für erneuerbare Energiequellen und andere Technologien.

Noch prüft die EU Paks II – auch auf verbotene Staatsbeihilfe.
Wir haben unsere Berechnungen der EU-Kommission vorgelegt: Nach dem Bau kann die AKW-Betreiberfirma marktwirtschaftlich geführt werden, also ohne Zuschüsse alle Kosten selbst abdecken bis hin zum Abtransport des Atommülls. Auch die Kredite für den AKW-Bau und die Zinsen können aus den Einnahmen durch den Stromverkauf bedient werden. Wir sehen also keine Staatsbeihilfe. Wir waren und sind auch künftig bereit, diese Fragen im Detail zu besprechen.

Und die fehlende Ausschreibung?
Die ungarisch-russische Vereinbarung wurde vor der Unterzeichnung von der EU-Kommission genehmigt. Russland wird bei der AKW-Errichtung Subunternehmen engagieren und auch diese Aufträge werden ausgeschrieben. Es gibt ein großes Interesse von asiatischen und europäischen Konzernen, zum Beispiel von Alstom, Siemens und Rolls-Royce. Das ist ein Riesenprojekt. 9000 Arbeiter werden mit der Errichtung der Blöcke beschäftigt sein. Und nach der ersten Periode wird auch die Brennstäbe-Lieferung ausgeschrieben.

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