Portugal: Europas Musterschüler wählen

Pedro Passos Coelho
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Bei den Parlamentswahlen am Sonntag stimmt das Land über den Sparkurs unter dem konservativen Premier, Pedro Passos Coelho, ab.

Lissabon. Es waren vier harte Jahre: Die Portugiesen mussten Steuererhöhungen hinnehmen, Lohn- und Rentenkürzungen schlucken, auf soziale Leistungen und Arbeitnehmerrechte verzichten. Trotzdem hielt sich der Protest in Grenzen. Das südeuropäische EU-Land, das bis 2014 am Euro-Rettungstropf hing und inzwischen wieder auf dem Weg der Besserung ist, erwarb sich den Ruf, Brüssels Musterschüler zu sein.

Die Parlamentswahlen am Sonntag werden zur Nagelprobe für die Sparpolitik und über die Fortsetzung des Reformkurses entscheiden. Wenn die Umfragen nicht trügen, könnte der konservative Regierungschef, Pedro Passos Coelho (51), die Oberhand behalten. Für eine absolute Mehrheit dürfte es aber nicht mehr reichen. „Wir haben Portugal ein Fenster in die Zukunft geöffnet und die Tür hinter der Krise geschlossen“, sagte Coelho dieser Tage. Das Land, das 2011 mit 78 Milliarden Euro vor der Staatspleite gerettet werden musste, steht wieder auf eigenen Füßen.

Nach mehreren mageren Jahren wächst die Wirtschaft erneut: Das Plus wird heuer auf 1,6 Prozent geschätzt, die Arbeitslosigkeit sank auf zwölf Prozent. Vor allem der boomende Tourismus ließ die Kassen klingeln. Das Urlaubsland, das mit niedrigen Preisen lockt, steuert auf einen neuen Rekord ausländischer Touristen zu – auf mehr als zehn Millionen internationaler Gäste.

Sparkurs und sprudelnde Steuereinnahmen haben dafür gesorgt, dass das Haushaltsdefizit von gut elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2010 auf heuer 3,1 Prozent sinken könnte. Auch die horrende Gesamtverschuldung soll bis Jahresende erstmals wieder sinken, und zwar von 130 Prozent des BIPs auf 124 Prozent.

Doch der Sanierungskurs verlangte den Portugiesen schwere Opfer ab, der Aufschwung kommt noch nicht bei den Familien an: „Abseits der Statistik erleben die Portugiesen ihren Alltag als soziale Katastrophe“, berichtet der TV-Journalist António Louçã. Die Krise sei noch lang nicht vorbei.

Exodus der Jungen

„Neue Jobs werden so schlecht bezahlt, dass Arbeitnehmer nicht davon leben können.“ Viele Junge wanderten mangels Perspektiven aus. Rund 100.000 Portugiesen kehren jedes Jahr dem Land den Rücken, schätzen die Emigrationsforscher am Lissabonner Uni-Institut Iscte. Das Land verliert zunehmend seine gut ausgebildete junge Generation.

Coelho betet derweil, dass sich die Frustration in Grenzen hält. Für alle Fälle verwahrt er in seiner Jacketttasche ein kleines Kruzifix, das er während des Wahlkampfes geschenkt bekam. Die letzten Umfragen trauen seinen konservativen Sozialdemokraten (PSD), die mit der bürgerlichen Volkspartei (CDS-PP) das Bündnis Portugal à Frente (Portugal voran) bilden, etwa 38–40 Prozent zu. Die Sozialisten (PS) wollen unter ihrem Spitzenmann, dem Lissabonner Ex-Bürgermeister António Costa, den bisherigen Sparkurs lockern. Costa hofft auf eine Koalition mit den Kommunisten (PCP) und dem Linksblock (BE). Portugals Linke ist indessen zerstritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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