Portugal: Der leise Wahlsieg des Sparmeisters

Der Wahlsieg entlockte Pedro Passos Coelho ein verhaltenes Lächeln. Der Premier schwor die Nation auf seinen Reformkurs ein.
Der Wahlsieg entlockte Pedro Passos Coelho ein verhaltenes Lächeln. Der Premier schwor die Nation auf seinen Reformkurs ein.(c) APA/EPA/JOSE SENA GOULAO (JOSE SENA GOULAO)
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Die Wähler bestätigten den von der EU auferlegten Sparkurs des konservativen Premiers Coelho. Er verlor zwar die absolute Mehrheit, kann aber Minderheitsregierung bilden.

Lissabon. Lächelnd, aber ohne triumphale Gesten trat Pedro Passos Coelho nach seinem Wahlsieg vor die Anhänger im Partei-Hauptquartier in Lissabon. „Wir stehen zum Regieren bereit“, rief Portugals konservativer Ministerpräsident in die jubelnde Menge. Und setzte dann eine ernste Miene auf, um der Nation klarzumachen, dass er den Spar- und Reformkurs fortführen wolle, um das Euro-Krisenland weiter aus dem Schuldental zu führen – auch wenn er zu Kompromissen mit der Opposition bereit sei.

Nach dem vorläufigen Endergebnis hatte Coelhos Regierungsbündnis aus konservativen Sozialdemokraten (PSD) und der kleineren bürgerlichen Volkspartei (PP) in der Parlamentswahl am Sonntag 38,3 Prozent der Stimmen erhalten. Damit verloren die Konservativen, die in Portugal eisern die Troika-Sparauflagen durchgeboxt hatten, ihre bisherige absolute Mehrheit – vermutlich die Quittung für die große Unzufriedenheit im Land. Coelho könnte mit einem Minderheitskabinett weiterregieren.

Große Koalition ausgeschlossen

Die Sozialisten (PS), die sich Hoffnung auf einen Sieg gemacht und für einen sanfteren Sparkurs geworben hatten, landeten abgeschlagen bei 32,4 Prozent. Der sozialistische Spitzenmann, der frühere Lissabonner Bürgermeister António Costa, schloss eine Große Koalition aus, ließ aber durchblicken, dass er eine konservative Minderheitsregierung tolerieren könnte. Als Preis dafür müsse Coelho aber sein Sparprogramm abschwächen: Die Konservativen könnten „nicht weiterregieren, als ob nichts geschehen sei“.

Einer linken Regierung, die zusammen mit zwei kleineren europakritischen Parteien theoretisch möglich wäre, erteilte er eine Abfuhr. Die Sozialisten würden nicht „bei negativen Mehrheiten“ mitmachen, sagte Costa. Damit meinte er den Linksblock (BE), der mit Griechenlands Syriza-Bündnis verwandt ist und mit 10,2 Prozent sein bisher bestes Ergebnis holte, und die grün-kommunistische PCP-CDU (8,3 Prozent). Beide Parteien wollen der Troika, die dem Land nach der Rettung im Jahr 2011 ein Spardiktat auferlegte, die rote Karte zeigen.

Die Wahlbeteiligung sank mit 56,9 Prozent auf einen historischen Tiefstand. Soziologen versuchen diese Wahlmüdigkeit damit zu begründen, dass immer mehr Portugiesen das Gefühl haben, nicht von ihrer Regierung, sondern von der Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Währungsfonds dirigiert zu werden.

Einer der ersten Gratulanten des portugiesischen Wahlsiegers war übrigens Spaniens konservativer Regierungschef, Mariano Rajoy. Der hofft nun auf einen ähnlichen Wahlerfolg im Dezember. Pedro Passos Coelho, ein 51-jähriger Ökonom, ist der erste Spitzenpolitiker eines Euro-Krisenlandes, der den Proteststurm der Bürger politisch überlebt hat.

Brüssel und Berlin atmen jetzt auf, dass Passos Coelho, ihr wohl bester und treuester Musterschüler, nicht unter die Räder kam. Er hat vorgeführt, dass man mit einem eisernen Reformkurs doch Wahlen gewinnen und die Krise bekämpfen kann. Kaum jemand hatte ihm noch vor Monaten eine Siegeschance zugetraut. „Ich gebe nicht auf“, rief der Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester und stemmte sich gegen alle Umfragen.

Der studierte Volkswirt startete eine pädagogische Offensive, in der er vor allem die Reformerfolge erklärte. Er impfte den Landsleuten Mut ein: „Wir sind dem Abgrund entkommen.“ Die Opfer hätten sich gelohnt. Mit dieser Botschaft schaffte er im letzten Moment die Wende.

Diszipliniert hatte er die Vorgaben der Gläubiger-Troika umgesetzt, die seit der Rettung des Pleitestaates 2011 in Lissabon mitregierte. „Zum Teufel mit den Wahlen“, rief Passos Coelho entschlossen aus, als seine Popularität in den Keller rutschte. „Das Einzige, was zählt, ist Portugal zu retten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2015)

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