"Frieden zu erzwingen, ist nicht die Lösung aller Probleme"

Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta.
Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta.(c) APA/EPA/CAROLINE SEIDEL (CAROLINE SEIDEL)
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Friedensnobelpreisträger Ramos-Horta über moderne Blauhelmmissionen, Budgetprobleme und die Grenzen der UNO.

Die Presse: Die UNO hat gerade ihren 70. Jahrestag gefeiert – in einer Zeit, in der wir mehr Krisen sehen als in den Jahrzehnten zuvor. Sind die UN in ihrer Kernaufgabe gescheitert, Frieden zu schaffen?

José Ramos-Horta: Die Situation in vielen Ländern wäre bei Weitem schlimmer, wenn die UN nicht dort wären, auch an Orten wie dem Südsudan. Wie viele Tote mehr würde es geben? Das gilt ungeachtet aller Schwächen und Beschränkungen wie einer zu geringen Anzahl an Soldaten, mangelnder Ausrüstung. Die Welt kann es sich nicht leisten, keine Vereinten Nationen zu haben.

Also alles bestens?

Natürlich ist diese Antwort nicht gut genug. Die UN müssen besser werden. Dazu müssen die Länder weniger heuchlerisch in ihrer Außenpolitik agieren. Sie verlangen viel von der UNO, aber wenn es ans Zahlen geht, leisten sie ihre Beiträge nicht. Und nur ein Beispiel: Die Kosten für den Betrieb der Klimaanlagen während der US-Einsätze im Irak und Afghanistan haben acht Milliarden Dollar betragen. Das ist das Jahresbudget des gesamten UN-Peacekeeping. Trotzdem verlangen sie, das UN-Budget immer weiter zu kürzen.

An den derzeit größten Brennpunkten sind UN-Friedenstruppen nicht vorhanden: Irak, Syrien, Libyen. Können die Blauhelme überhaupt etwas beitragen, wenn es um Schaffung von Frieden geht?

Die Vereinten Nationen sind eine Gruppe von Staaten, sie sind nichts Abstraktes. Wenn der Sicherheitsrat sich nicht auf eine gemeinsame Strategie zu Syrien einigt, wird es keine gemeinsame Strategie zu Syrien geben. Frieden zu erzwingen, ist nicht die Lösung aller Probleme. Manchmal ist es besser, überhaupt keine Truppen einzusetzen. Ich empfehle eher, jeden auch nur möglichen Versuch zu unternehmen, um eine politische Lösung zu finden, lang bevor eine Krise wirklich schlimm wird. Der Sicherheitsrat sollte seinen Einfluss dafür nutzen. Damit die Führer eines Landes oder einer Region sich zusammensetzen und verhandeln.

Gilt das auch für Akteure wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)?

Nein. Darüber nachzudenken ist zum jetzigen Zeitpunkt rein akademisch. IS will keinen Dialog. Sie wollen anderen ihre Version des Islam aufzwingen, im Irak, Syrien, Libyen und anderswo. Das ist eine riesige Sicherheitsherausforderung. Es gibt auch Situationen, in denen ein Dialog nicht möglich ist.

Kann man über eine Reform der UN-Friedensmissionen sprechen, ohne über eine Reform des ständig blockierten Sicherheitsrats zu reden?

Man kann nicht auf eine Reform des Rates warten, das dauert viel zu lang.

Österreich wird sich an der UN-Friedensmission für Mali beteiligen. Dort gibt es fast alle modernen Problemfelder auf einmal: Terror- und Rebellengruppen, schwache Führung, große Instabilität. Sind die UN-Blauhelme dem gewachsen?

Das Land ist noch weit entfernt von einer Stabilisierung. Ich denke zwar nicht, dass die UN sich von dort zurückziehen sollten, aber sie sollten sich die ganze Sache noch einmal sorgfältig ansehen. Die UN sind dort zum Hauptziel der Extremisten geworden. (raa)

ZUR PERSON

José Ramos-Horta, geb. 1949, war Präsident von Osttimor und davor langjähriger Unabhängigkeitsaktivist. Für seine Bemühungen um eine friedliche Lösung des Osttimor-Konflikts bekam er 1996 den Friedensnobelpreis. Zuletzt war er Vorsitzender des unabhängigen UN-Gremiums zu Friedensmissionen. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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