UNO: Die notorische Schwäche der Blauhelme

 Die reichen Staaten zahlen, die armen schicken Soldaten: Diese Arbeitsteilung soll bald der Vergangenheit angehören.
Die reichen Staaten zahlen, die armen schicken Soldaten: Diese Arbeitsteilung soll bald der Vergangenheit angehören.(c) EPA (SALVADOREAN PRESIDENCY - HANDOUT)
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Die UNO ringt um eine Reform. Das bisherige Peacekeeping ist den neuen Gefahren nicht mehr gewachsen. Mali gilt als Testfeld.

New York/Wien. Für die Vereinten Nationen ist Mali ein Blick in die Zukunft. Die UN-Stabilisierungsmission Minusma, die nach der Offensive von Jihadisten und der französischen Militärintervention in das westafrikanische Land entsandt wurde, gilt vielen als Beispiel für die Probleme, denen sich UN-Blauhelmmissionen heute stellen müssen: Rebellengruppen, die eine schwache Regierung bekämpfen, jihadistische Terrormilizen, ein unsicheres Umfeld mit ständigen Anschlägen und Kampfsituationen. Mit 56 Opfern seit ihrer Schaffung 2013 gilt die Mission als riskanteste aller UN-Einsätze. Daran will sich demnächst auch Österreich beteiligen.

Angesichts der veränderten Bedingungen ist innerhalb der Vereinten Nationen eine Debatte darüber entbrannt, wie das UN-Peacekeeping reformiert werden kann. Generalsekretär Ban Ki-moon, der im letzten Jahr seiner Amtszeit auch an sein Vermächtnis denkt, hat eine Expertenkommission unter der Führung von Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta eingesetzt (s. Interview), die Vorschläge für eine Reform der Blauhelmmissionen präsentiert hat. Mit einem Peacekeeping-Gipfel am Rand der UN-Generaldebatte vergangene Woche demonstrierte aber auch US-Präsident Barack Obama, welche Bedeutung er dem Thema inzwischen beimisst. Die Missionen seien zwar nicht die Lösung für jedes Problem, hat er gesagt, aber „immer noch eines der wichtigsten Instrumente der Welt bei bewaffneten Konflikten“.

Auch weil die Bedrohung durch islamistische Gruppen in Konflikten steigt, will Washington schlagkräftige Einheiten unter der UN-Flagge, vor allem in Afrika. Weil man dazu mehr braucht als Bangladeschis in Badeschlapfen, wie ein UN-Diplomat böse anmerkt, sehen die USA die Europäer in der Pflicht, die über gut ausgebildete Armeen und moderne Ausrüstung verfügen. US-Botschafterin Samantha Power reiste im Frühjahr eigens nach Brüssel. Die meisten europäischen Blauhelme stellt derzeit Italien: Mit 1103 der weltweit über 120.000 Friedenssoldaten steht es auf Platz 26 der Truppensteller.

Zurückhaltende Europäer

Mehr als 50 Staaten sagten Obama beim Peacekeeping-Gipfel zwar über 40.000 Soldaten und Polizisten sowie wichtige Ausrüstung (u. a. 40 Helikopter) zu. Die Europäer hielten sich dabei aber auffallend im Hintergrund. Österreich, das seit dem Golan-Abzug immer wieder aufgefordert worden war, sich mehr im UN-Rahmen zu engagieren, und bei dem Gipfel zunächst gar nicht eingeladen war, verwies auf die 15 neu für Mali zugesagten Mann. Zwar sind sich alle einig, dass die bisherige Arbeitsteilung nicht aufrechterhalten werden kann, die gelautet hat: Der reiche Westen zahlt für die Missionen, die Entwicklungsländer stellen die Soldaten (auch wegen satter Abgeltungen). Eine Trendumkehr ist aber nicht in Sicht. Noch immer entsenden Bangladesch, Indien, Äthiopien und Pakistan bei Weitem die meisten Blauhelme. Nur China versucht mit 8000 neuen Soldaten, seine weltpolitische Rolle zu unterstreichen.

Auch die Diskussion über die Erwartungen an zukünftige UN-Missionen ist noch lang nicht abgeschlossen. Die von Ramos-Horta geleitete Kommission erteilte Antiterror-Einsätzen eine klare Absage. Das sei nicht Aufgabe einer UN-Friedensmission. Viele fragen sich angesichts der Konfliktmuster in Staaten wie Syrien, Libyen, Jemen, Nigeria, Somalia und Mali, ob das realistisch ist: Die islamistischen Gruppen, so das Argument, werden auch bei einer Lösung des Konflikts nicht verschwinden. Dafür drängte die Kommission die UN-Staaten, sich mehr auf Konfliktprävention und politische Lösungen zu konzentrieren. Die Organisation müsse schneller auf Krisen reagieren. Die Mandate sollten der Realität angepasst werden und dürften nichts versprechen, was aufgrund mangelnder Ressourcen nicht eingehalten werden könnte.

Viele Experten sehen gerade in einem stärkeren politischen Fokus den wichtigsten Punkt: Eine Militärmission könne lediglich dazu beitragen, ein sicheres Umfeld zu schaffen. „Und dann muss man wissen, was man politisch erreichen kann und will.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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