US-Präsidentenwahl 2016: Joe Bidens letzter Angriff

(c) REUTERS (SHANNON STAPLETON)
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Der Vizepräsident bereitet eine Kandidatur vor. Sein Chance ist gering, doch Hillary Clintons Wahlkampfmaschine arbeitet schon Dossiers gegen ihn aus.

Washington. In der Kolumne der „New York Times“-Kommentatorin Maureen Dowd vom 1. August wurde die interessierte Öffentlichkeit über einen bemerkenswerten Umstand informiert. Beau Biden, der Sohn von US-Vizepräsident Joe Biden, habe seinen Vater diesen Sommer auf dem Sterbebett darum angefleht, Hillary Clinton herauszufordern und noch einmal um die Präsidentschaft zu kandidieren. „Das Weiße Haus sollte nicht noch einmal an die Clintons fallen“, soll der sterbende Biden-Sohn laut Dowds Text gesagt haben. „Das Land wäre mit den Werten der Bidens besser dran.“

Der Tod des charismatischen jungen Irakkriegsveteranen, dem bis zu seiner Erkrankung an einem Gehirntumor selbst eine glänzende politische Laufbahn prophezeit worden war, ließ auch Kritiker und politische Gegner des Vizepräsidenten nicht kalt. Joe Biden, seit mehr als vier Jahrzehnten Berufspolitiker und mit allen Wassern dieses Metiers gewaschen, bediente sich des emotionalen Potenzials, den so ein Lebensschlag nach sich zieht, um das Feld für seine dritte und wohl letzte Präsidentschaftskandidatur vorzubereiten. Gut 18 Minuten lang sprach er in der „Late Show“ mit Stephen Colbert über den Tod seines Sohnes und die seelische Last, die ihm das Abwägen des Für und Wider eines Antretens bei der Wahl bereite. Das klang ehrlich, aber man konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass Biden auch ein bisschen kalkuliert auf die Tränendrüsen drückte. Politiker beklagen sich oft mit Recht, dass ihr Privatleben vor die Fernsehkameras gezerrt und im Internet seziert werde. Wieso also trug Biden diese höchst private Tragik und seine Seelenpein so freimütig in die Öffentlichkeit?

Weit hinter Clinton und Sanders

Fragen wie diese erhalten mit jedem neuen Tag stärkere politische Relevanz, denn immer zahlreicher werden die Anzeichen dafür, dass Biden seinen Hut in den Ring wirft und Hillary Clinton parteiintern herausfordert. Am kommenden Dienstag wird Clinton in Las Vegas erstmals in einer Fernsehdebatte des Nachrichtensenders CNN mit vier Herausforderern diskutieren. Es handelt sich dabei um Martin O'Malley, den früheren Gouverneur von Maryland, den früheren Senator Jim Webb, Lincoln Chafee, früherer Senator und Gouverneur von Rhode Island, sowie Bernie Sanders, Senator von Vermont. Bis auf Sanders, der Clinton seit Wochen erfolgreich von links attackiert, hat keiner eine Chance, die Nominierung der Partei im Sommer 2016 zu erringen. Bidens Kandidatur wird in vielen Meinungsumfragen fingiert; rosig sähe es derzeit für ihn nicht aus. Die „New York Times“ hat den Mittelwert von sieben landesweiten Umfragen ermittelt, demnach liegt Clinton mit 57 zu 31 Prozent vor Sanders, falls Biden nicht kandidiert, und mit 44 zu 27 zu 19 Prozent vor Sanders und Biden, falls letzterer antritt.

Biden wird an der Fernsehdebatte nicht teilnehmen, doch schon jetzt kann man auf manchen Fernsehsendern einen ersten Werbespot sehen, den seine Unterstützer für ihn produziert und bezahlt haben. „Joe Biden: Meine Erlösung“, heißt der schwarzweiße Film, und er thematisiert Beau Bidens Tod ebenso wie den Tod von Joe Bidens erster Ehefrau bei einem Autounfall im Jahr 1972.

„Seit Jahren stets auf der falschen Seite“

Fast alle Stimmen, die Biden derzeit für sich gewinnen könnte, kämen von Clinton. Insofern ist es schlüssig, dass ihre Wahlkampfmaschine bereits eifrig Material gegen ihn sammelt. Man kann sich zum Beispiel ausmalen, woher das Nachrichtenmagazin „Politico“ den Hinweis erhielt, Biden selbst habe Maureen Dowd die Anekdote von seinem Sohn gesteckt. Clintons Team wird zudem hervorheben, dass Biden Präsident Barack Obama im Mai 2011 davon abriet, den Angriff auf das Haus von Al-Qaida-Gründer Osama bin Laden durchzuführen. Der „Reset“, also der Versuch, mit Russlands Präsident, Wladimir Putin, einen Neubeginn zu wagen, ging ebenfalls auf Biden zurück – und entpuppte sich als schwere Fehleinschätzung. „Ich habe ihm gesagt, dass er seit vier Jahrzehnten stets auf der falschen Seite aller wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Debatten war“, ätzte Ex-Verteidigungsminister Robert Gates in seiner im vorigen Jahr erschienenen Biografie über Biden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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