Europas Volksparteien fordern Gründung einer EU-Armee

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Aus der Überwachung des Mittelmeers soll einmal eine gemeinsame Verteidigungseinheit entstehen.

Wien/Brüssel. Zahlreiche Konfliktherde wie die Ukraine-Krise, der Terror des IS oder der Bürgerkrieg in Syrien und mehreren Ländern Nordafrikas gefährden die Sicherheitslage in unmittelbarer Nähe von Europas Grenzen: Die Folge sind wirtschaftliche Probleme und eine Fluchtwelle historischen Ausmaßes. Für die Europäische Volkspartei (EVP) ist das ein Grund zu handeln. Bei ihrem Parteitag diese Woche in Madrid soll ein der „Presse“ vorliegendes Papier verabschiedet werden, das die stufenweise Einführung einer EU-Armee befürwortet. „Nur eine in Verteidigungsfragen stärkere Union wird die wachsenden Bedrohungen und Aufgaben bewältigen können“, heißt es in der Abschlusserklärung, die einen konkreten Plan zur engeren Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen ventiliert. „Wir werden eine Europa-Armee schneller bekommen, als viele Leute glauben“, sagte Joseph Daul, Präsident der EVP, vergangene Woche gegenüber Journalisten.

Konkret schlägt die größte Parteienfamilie Europas, der auch die ÖVP und die deutschen Unionsparteien angehören, in einem ersten Schritt die Errichtung eines gemeinsamen Hauptquartiers vor, von dem aus die einzelnen Operationen gesteuert werden sollen. Ziel sei die „Durchführung von Interventionen größeren Ausmaßes und territorialer Verteidigung in Koordination mit der Nato, wie dies im Lissabon-Vertrag vorgesehen ist“, heißt es. Nur so könne „schnell und effektiv geplant werden“. Eine „permanente, strukturierte Kooperation“ (Pesco) soll die EU in Verteidigungsfragen für die Zukunft rüsten – allerdings auf freiwilliger Basis: Nur jene Mitgliedstaaten, die „fähig und willig“ sind, sollen sich an der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene beteiligen. Als Beispiel für Pesco nennt das EVP-Papier zunächst etwa die gemeinsame Überwachung des Mittelmeers mit Schiffen, Flugzeugen oder Drohnen, wo Schlepper derzeit zigtausende Flüchtlinge nach Europa bringen. Langfristiges Ziel dieser Kooperation aber solle „eine gemeinsame EU-Armee“ sein, heißt es dezidiert im EVP-Papier.

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Bis zum Sommer 2016 soll der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) eine neue Außen- und Sicherheitsstrategie vorlegen, bei der „Bedrohungen identifiziert und die notwendigen Instrumente und institutionellen Vereinbarungen der EU identifiziert werden“, fordert die EVP. Die zuletzt in vielen Ländern gekürzten Verteidigungsausgaben sollen zudem wieder erhöht und nationale militärische Ressourcen gebündelt werden.

Die Idee einer gemeinsamen EU-Armee ist nicht neu. Sie wurde auch im Parteiprogramm der ÖVP als langfristiges Ziel definiert. Anfang des Jahres hat sich der amtierende Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, ebenfalls ein Christdemokrat, dafür starkgemacht, als er die Wehrbereitschaft Europas mit einer „zersplitterten Landschaft“ verglichen hat. Allerdings hat der Luxemburger eingeräumt, dass es sich um ein Langzeitprojekt handle.

Frühere Initiativen fehlgeschlagen

Bisher war die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, militärisch in der EU enger zusammenzuarbeiten, begrenzt. Der erste Vorstoß für eine Verteidigungsgemeinschaft war bereits in den 1950er-Jahren am Widerstand Frankreichs gescheitert. Trotz eines neuen Anlaufs in den 1990er-Jahren gelang es den Regierungen nicht, den Plan für eine schnelle Eingreiftruppe mit bis zu 30.000 Soldaten umzusetzen. Obwohl es mittlerweile regelmäßige Treffen der EU-Verteidigungsminister gibt, ist das gemeinsame militärische Engagement bis auf gemeinsame Friedenseinsätze (meist unter UN-Mandat) gering geblieben.

Aktuell stehen vor allem die osteuropäische Länder bei den Plänen für den Aufbau einer EU-Armee auf der Bremse. Polens Außenminister, Grzegorz Schetyna, sprach nach Junckers Initiative von einer „riskanten Idee“. Schetyna forderte stattdessen, die Nato als Sicherheitsgarant Europas weiter zu stärken. Ähnlich argumentierte die lettische Regierungschefin, Laimdota Straujuma.

In Österreich traf Junckers Idee auf geteilte Reaktionen. Während aus der ÖVP Zustimmung kam, kritisierten SPÖ, Freiheitliche und Grüne den Vorstoß oder verwiesen auf die Unvereinbarkeit mit der Neutralität. Bundespräsident Heinz Fischer sprach indes von einer unausgegorenen Idee, einer „Utopie für die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts“.

AUF EINEN BLICK

Die Europäische Volkspartei (EVP) macht sich für eine gemeinsame EU-Armee stark. In einem Strategiepapier, das diese Woche bei einem Parteitag in Madrid verabschiedet werden soll, wird die engere Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen als klares Ziel ausgegeben. Zu diesem Zweck soll ein Hauptquartier errichtet werden, von wo aus die Operationen koordiniert werden. Eine permanente Kooperation auf europäischer Ebene (Pesco) soll langfristig in die Gründung einer eigenen EU-Armee münden. Auch Christdemokrat Jean-Claude Juncker setzt sich für dieses Ziel ein, die Bereitschaft in der EU aber ist enden wollend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2015)

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