UNO soll Syrien-Krise beilegen

SYRIEN-KONFERENZ IN WIEN: KERRY / LAWROW
SYRIEN-KONFERENZ IN WIEN: KERRY / LAWROW(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Die internationalen Spitzendiplomaten einigten sich auf einen Verhandlungsprozess unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Washington entsendet Spezialkräfte in den Norden Syriens.

Wien/Washington. Stunde um Stunde wurden die Gespräche verlängert. Bis am späten Freitagabend, viel länger als geplant, rangen die Außenminister der wichtigsten Akteure im Syrien-Konflikt, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura im Wiener Hotel Imperial um einen Konsens für eine Lösung des Problems. Flüge wurden verschoben, der russische Außenminister Sergej Lawrow und einige seiner Kollegen dehnten ihren Aufenthalt bis am Samstag aus, um weitere Gespräche führen zu können. Am Ende stand fest: es soll einen Verhandlungsprozess unter dem Schutzschirm der UNO geben. Das nächste Treffen findet bereits am Dienstag und Mittwoch nächster Woche in Wien statt.

US-Außenminister John Kerry versuchte mit allen Mitteln, den schwierigen Verhandlungsprozess am Laufen zu halten. Um das Treffen in Wien nicht von Beginn an zu gefährden, versuchte er die größte Streitfrage zunächst auszuklammern: die zukünftige Rolle von Syriens Präsident Bashar al-Assad. Während Russland und der Iran das Regime des Machthabers unterstützen, drängen vor allem die Türkei und die Golfstaaten, allen voran Saudiarabien, auf seinen Abgang.

Der saudische Außenminister Abdel al-Jubair machte dem Ansinnen, die Assad-Frage beiseite zu lassen, allerdings einen Strich durch die Rechnung. Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, gab es darüber scharfe Diskussionen. Saudiarabien, das sich als Schutzmacht der Sunniten versteht, hatte sich lange geweigert, sich überhaupt mit seinem schiitischen Rivalen Iran zusammenzusetzen. Während des Treffens in Wien kam es dann auch zu heftigen gegenseitigen Schuldzuweisungen der beiden Erzfeinde.

Streit über Waffenlieferungen

Streitfragen gab es genug. Bei dem Treffen gerieten die Verhandlungsparteien etwa über die Frage der Waffenlieferungen aneinander. Ebenso heftig kontrovers diskutiert wurde darüber, welche der verschiedenen Gruppen in Syrien als Terrorgruppe einzustufen seien. Hintergrund ist die Frage, wer künftig in die Verhandlungen eingebunden werden kann und wer nicht. Saudiarabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen Gruppen, die das Assad-Regime, Russland und der Iran als Terrorgruppen bezeichnen.

Dafür soll die neue Verhandlungsgruppe um fünf weitere Staaten erweitert werden. Bis zuletzt hatten sich die 16 Außenminister aus den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Ägypten, Iran, Irak, und den Golfstaaten (China schickte seinen Vize-Außenminister) auch über eine gemeinsame Erklärung verhandelt, die zumindest jene Punkte festhalten sollte, die außer Streit stehen: an einer friedlichen Lösung zu arbeiten, Syrien als einheitlichen Staat zu erhalten und irgendwann Wahlen abzuhalten. Dazu kam es dann aber nicht.

Mit der künftigen Federführung durch die Vereinten Nationen soll dem UN–Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, die Rolle zukommen, zwischen allen Seiten zu vermitteln. Sowohl die USA als auch Russland drängen darauf, auch Vertreter des syrischen Regimes und der Opposition, die in Wien nicht mit am Tisch saßen, möglichst rasch einzubinden – womöglich schon am nächsten Dienstag und Mittwoch. Dem Vernehmen nach soll Kerry für nächste Woche noch keinen Rückflug gebucht haben.

US-Elitetruppen nach Syrien

Gleichzeitig mit den nun laufenden Verhandlungen erhöhen die USA auch den militärischen Druck: Die Regierung in Washington kündigte am Freitag an, Elitetruppen nach Syrien entsenden zu wollen, um den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu verstärken. „Weniger als 50“ Spezialkräfte sollen laut Angaben aus Washington im Norden des Bürgerkriegslandes geschickt werden, um Rebellen zu unterstützen und Angriffe gegen den IS zu koordinieren. Schon in den kommenden Tagen sollen die Soldaten vor Ort eintreffen. Auch in Erbil im Nordirak sollen Spezialkräfte demnach stationiert werden, um die irakische Armee im Kampf gegen die Extremisten zu unterstützen.

Bisher hatte sich die Regierung von US-Präsident Barack Obama stets geweigert, Soldaten in Syrien dauerhaft zu stationieren. Der plötzliche Schwenk dürfte direkt mit den Syrien-Gesprächen in Wien zusammenhängen. Ein größeres militärisches Engagement der USA in Syrien ist im Sinne Saudi-Arabiens. So hofft man in Washington offenbar, Riad am Verhandlungstisch zu behalten.

SYRIEN

Konferenz. Am Freitag wurde die Syrien-Konferenz in Wien abgehalten: Außenminister und Vertreter der UN-Vetomächte sowie etliche regionale und internationale Akteure – knapp 20 Spitzendiplomaten– nahmen teil. Neben den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien waren unter anderem die Türkei, Saudiarabien und Ägypten vertreten.

Erstmals hat auch der Iran teilgenommen. Experten werteten zudem die Teilnahme des Oman als wichtiges Signal: Dem Land komme demnach eine bedeutende Vermittlerrolle bei dem Versuch zu, den Bürgerkrieg in Syrien einzudämmen oder zu beenden.

AUF EINEN BLICK

US-Präsident Barack Obama hat am Freitag angekündigt, das militärische Engagement im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) auszuweiten. Dabei sollen nicht nur weitere Kampfflugzeuge, vor allem A-10-Schlachtflieger, Apache-Kampfhubschrauber und F-15-Jagdbomber auf den türkischen Stützpunkt Inçirlik verlegt werden, sondern vor allem rund 50 Mann von Spezialeinheiten im Norden Syriens stationiert werden, um dortige Rebellen zu unterstützen – die erste offene Intervention zu Lande in Syrien. Die Soldaten werden unter anderem von Einheiten wie den Rangers und Green Berets der US Army, den Seals der Marine und der Luftwaffe gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

SYRIEN-KONFERENZ IN WIEN
Außenpolitik

Syrien-Gipfel in Wien, Teil 3

Am Samstag nächster Woche kommen im Hotel Imperial erneut Kerry, Lawrow & Co. zusammen, sogar in größerer Runde. Syriens Opposition und das Regime sollen in Genf verhandeln.
Kämpfe zwischen Milizen des Islamischen Staats (IS) und Rebellen
Außenpolitik

Verdacht auf Gifteinsatz durch Rebellen erhärtet

Die Anti-Chemiewaffen-Organisation fand Beweise für einen Einsatz von Giftgas in Syrien.
Außenpolitik

Nächste Syrien-Gesprächsrunde am 14. November in Wien

Zu den bisher 19 Teilnehmern soll nun erstmals auch ein Vertreter Australiens stoßen. In Genf sollen zugleich die syrischen Akteure Gespräche führen.
Politik

Russischer Angriff auf IS-Hochburg Raqqa

Die Offensive der Assad-Truppen hat bisher nur wenig Erfolg gezeitigt. Nördlich von Hama haben Rebellen die Regierungsarmee zurückgedrängt.
Außenpolitik

Türkei greift IS an: Dutzende Kämpfer getötet

Luftangriff in Syrien. Die IS-Miliz rückt in Provinz Homs vor.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.