Türkei-Wahl: Warten auf die Ergebnisse

Recep Tayyip Erdogan bei der Stimmabgabe am Sonntag
Recep Tayyip Erdogan bei der Stimmabgabe am SonntagAFP
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Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Neuwahl ausgerufen, weil nach dem Urnengang im Juni keine Regierung zustande kam. Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für seine AKP.

Die Türkei wählte am heutigen Sonntag zum zweiten Mal in weniger als fünf Monaten ein neues Parlament. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte bei seiner Stimmabgabe am Sonntag in Istanbul, man werde den "nationalen Willen" respektieren müssen, der bei der Wahl zum Ausdruck komme. "Die Türkei hat in Sachen Demokratie eine weite Strecke zurückgelegt."

Die islamisch-konservative AKP von Erdogan will bei diesen Parlamentswahlen ihre absolute Mehrheit zurückerobern, die sie im Juni verloren hatte. Die zentrale Frage ist, ob der AKP das gelingen kann, wenn die pro-kurdische HDP erneut die Zehn-Prozent-Hürde überwindet und ins Parlament einzieht. Umfragen deuten nicht darauf hin, dass die AKP die dafür notwendigen mindestens 276 Sitze gewinnen wird, es ist aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen.

Keine Regierungskoalition

Die Wahllokale waren bis 17.00 Uhr (Ortszeit/15.00 MEZ) geöffnet, im Osten des Landes schlossen sie eine Stunde früher. Vorläufige Ergebnisse werden am Sonntagabend erwartet.

Erdogan hatte die Neuwahl ausgerufen, als nach der Abstimmung am 7. Juni keine Regierungskoalition zustande kam. Damals hatte die AKP erstmals seit der Übernahme der Regierung im Jahr 2002 die absolute Mehrheit der Sitze verfehlt, die bei 276 liegt. Der überraschende Einzug der HDP ins Parlament im Juni hatte die AKP die absolute Mehrheit gekostet.

Der Verlust der absoluten Mehrheit im Juni war auch eine Niederlage für Erdogan. Er hatte vor der Juni-Wahl Wahlkampf für die von ihm mitbegründete AKP betrieben, obwohl die Verfassung dem Staatsoberhaupt Neutralität vorschreibt.

Erdogan will Präsidialsystem

Erdogans Ziel ist die Einführung eines Präsidialsystems, wofür er aber eine starke AKP-Alleinregierung benötigt. Die Opposition warf Erdogan vor, er habe eine Koalition verhindert, um bei der Neuwahl doch wieder eine absolute Mehrheit für die AKP zu bekommen.

In der Türkei waren am Sonntag gut 54 Millionen Staatsbürger zur Wahl aufgerufen. Die 2,9 Millionen wahlberechtigten Türken mit Wohnsitz im Ausland konnten dort bereits zuvor ihre Stimme in Botschaften und Konsulaten abgeben. 40 Prozent machten davon Gebrauch.

Der diesmal eher zurückhaltend geführte Wahlkampf wurde von Gewalt überschattet. Seit im Juli eine Waffenruhe zusammenbrach, eskaliert der Konflikt mit der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wieder. Die PKK hatte ihre Angriffe im vergangenen Monat bis zur Neuwahl am Sonntag ausgesetzt.

Kein Bekenntnis zu Anschlägen

Nach der Juni-Wahl wurde die Türkei zudem von Anschlägen erschüttert. Ankara lastet sie der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) an. Dass sich IS-Anhänger je offiziell zu den ihnen angelasteten Anschlägen bekannten, ist aber nicht bekannt - üblichweise veröffentlichen die Extremisten binnen kürzester Zeit nach vermeintlich von ihnen verübten Attentaten Bekennerschreiben.

Zum schwersten Anschlag seit Gründung der Republik kam es am 10. Oktober in der Hauptstadt Ankara, mehr als 100 Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft machte die IS-Jihadisten verantwortlich, der sich allerdings nicht zu der Tat bekannte. Innenminister Selami Altinok sagte, 385.000 Sicherheitskräfte seien am Sonntag im Einsatz, um die Abstimmung zu schützen.

(APA)

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