Flüchtlinge: Merkel "will nicht schwarzmalen, aber..."

Man gibt sich wieder einig: CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel. Jetzt ist die SPD noch zu überzeugen.
Man gibt sich wieder einig: CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel. Jetzt ist die SPD noch zu überzeugen.(c) AFP
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Die deutsche Kanzlerin warnt vor militärischen Konflikten und pocht auf eine europäische Lösung. Ihre eigene Koalition ist uneinig.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat vor militärischen Konflikten innerhalb Europas als Folge der Flüchtlingskrise gewarnt. Bei einer Veranstaltung der deutschen Christdemokraten in Darmstadt äußerte sich Merkel besorgt über die jüngsten Spannungen auf dem Balkan. "Ich möchte nicht, dass dort wieder militärische Auseinandersetzungen notwendig werden."

Durch die Schließung von Grenzen könne das Flüchtlingsproblem nicht gelöst werden. Wörtlich sagte die Kanzlerin am Montagabend: "Ich will jetzt nicht schwarzmalen, aber es geht schneller als man denkt, dass aus Streit auch Handgreiflichkeiten werden und aus Handgreiflichkeiten dann auch Dinge entstehen, die wir alle nicht wollen."

Der Umgang mit den Flüchtlingen sorgte innerhalb der deutschen Koalitionsregierung aus CDU/CSU und SPD am Dienstag weiter für Streit. Am Nachmittag ist dies auch Thema der Fraktionssitzungen.

"Europäischer Ansatz nötig"

Beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin forderte Merkel am Dienstag erneut eine umfassende Lösung und warnte vor zu kleinteiligen Ansätzen. "Wenn wir zu klein denken, wenn wir zu sehr auf uns bezogen denken, dann wird das wieder eine große Gefährdung für Europa sein", sagte die CDU-Vorsitzende. "Ich bin überzeugt, dass wir die Herausforderung nicht an der deutsch-österreichischen Grenze bewältigen." Notwendig seien ein europäischer Ansatz und die Einbeziehung von Nachbarländern wie der Türkei: "Wir müssen darauf beharren, dass die Lasten innerhalb der EU fair verteilt werden, ansonsten wird das System nicht funktionieren."

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte bei der BDI-Veranstaltung, nicht die Zahl der nach Deutschland kommenden Menschen sei das Problem, sondern das Tempo der Entwicklung. Bei der Bewältigung des Zustroms müssten Zuversicht und Realismus zusammenkommen. So werde es mindestens zehn Jahre dauern, die notwendige Infrastruktur für Bildung und Ausbildung zu schaffen.

Zum koalitionsinternen Streit über die Einrichtung von Transitzonen an den deutschen Grenzen sagte Gabriel, es sei albern über ein Problem zu streiten, das nur 2,4 Prozent der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge betreffe. So kämen kaum noch Menschen vom Westbalkan nach Deutschland. In den Transitzonen sollen Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten in Grenznähe ein Schnellverfahren durchlaufen und gegebenenfalls schnell wieder in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Gabriel sagte, viel dringender sei es, etwa über die Lage in Syrien zu sprechen.

Streit um Transitzonen

Am Sonntag waren die Spitzen der Koalition nach einem Treffen im Kanzleramt ohne Einigung auseinandergegangen. Die Union CDU/CSU verlangt sogenannte Transitzonen, wo die Flüchtlinge ohne konkrete Aussichten auf Asyl schnell abgefertigt werden können. Die SPD lehnt solche Bereiche jedoch als "riesige Haftzonen" ab. Die Sozialdemokraten setzen dagegen auf "Einreisezentren" zur Registrierung. Wer sich dort nicht erfassen lässt, dem sollen Leistungskürzungen und Nachteile im Asylverfahren drohen.

Unterdessen reißt der Flüchtlingsstrom von Österreich nach Bayern nicht ab. 8750 Asylsuchende kamen am Montag nach Angaben der deutschen Bundespolizeidirektion in München über die Grenze. Am Sonntag waren es rund 7750 Menschen, am Samstag 7300. An den Grenzübergängen im Raum Passau hätten auf österreichischer Seite am frühen Vormittag etwa 1500 Menschen auf ihre Einreise nach Deutschland gewartet, sagte der Sprecher der deutschen Bundespolizeiinspektion Freyung, Bernd Jäckel. In der Früh waren es rund 1000 Menschen mehr. "Von einer entspannten Lage kann nicht die Rede sein", sagte ein Polizeisprecher.

Neuhaus: Kein Warten mehr in der Kälte

Seit Montagfrüh müssen die Flüchtlinge am Grenzübergang von Schärding nach Neuhaus nicht mehr auf der alten Innbrücke warten, ehe es zu Fuß zur Sammelstelle weitergeht. Stattdessen werden sie mit Bussen direkt zu den Zelten auf deutscher Seite gebracht. Dies soll verhindern, dass die Menschen stundenlang bei Kälte auf ihre Einreise warten müssen. In der Nacht auf Dienstag hatte es in der Region Minusgrade, auch tagsüber war es frostig.

Beim steirischen Grenzübergang Spielfeld war die Lage relativ ruhig. Rund 2700 Menschen verbrachten die Nacht in den beheizten Großzelten, die rund 4000 Personen Platz bieten. Ihr Weitertransport in Transitquartiere bzw. Richtung Deutschland war in der Früh angelaufen. In Slowenien selbst sind am Montag mehr als 8500 Flüchtlinge aus Kroatien angekommen. Am Dienstag gab es bis 6 Uhr bereits knapp 2200 Neuankünfte, wie die jüngste Polizeistatistik zeigte. In den slowenischen Flüchtlingsunterkünften befanden sich am Dienstag in der Früh fast 6200 Menschen. Rund 9400 machten sich in Richtung Österreich auf.

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(APA/Reuters)

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