Burma: Der Machtkampf geht erst los

Reactions Following General Election As Myanmar Opposition Confident Suu Kyi Has Won Historic Vote
Reactions Following General Election As Myanmar Opposition Confident Suu Kyi Has Won Historic Vote(c) Bloomberg (Dario Pignatelli)
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Die Demokratiebewegung unter Aung San Suu Kyi errang einen Endrutschsieg. Die jahrzehntelang dominierende Armee sicherte sich eine Schlüsselrolle. Konflikte sind programmiert.

Bangkok. Noch Anfang der Woche hatten sich Tausende von Anhängern von Demokratieführerin Aung San Suu Kyi vor dem kleinen Hauptquartier der Nationalliga für Demokratie (NLD) in Rangun eingefunden. Selbst schwere Regengüsse konnten sie nicht davon abhalten, jedes neue Ergebnis der Parlamentswahlen zu bejubeln.

Am Freitag, als die Wahlkommission erstmals die NLD zur Gewinnerin der historischen Wahl vom Sonntag erklärte, hatte sich die Menge längst verlaufen. Vielleicht, weil ohnehin alle von einem Sieg der Opposition ausgegangen waren. Vielleicht folgten die Fans auch einem Wunsch Suu Kyis. Sie hatte ihre Anhänger mehrfach gebeten, den Sieg gegenüber den Verlierern der Wahl – der Armee und der Unionspartei für Solidarität und Entwicklung (USDP) – nicht allzu sehr auszukosten.

Sportliche Verlierer

Und der Sieg hat es in sich: Nach Auszählung von rund 80 Prozent der Stimmen war klar, dass die NLD die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments gewonnen hat. Das war trotz der massiven Unterstützung, die Suu Kyis Partei genießt, nicht selbstverständlich: Denn ein Viertel der Parlamentssitze sind laut der umstrittenen Verfassung, die der Armee eine Schlüsselrolle sichert, für Soldaten reserviert. Um die absolute Mehrheit im Parlament zu erzielen, musste die NLD also mindestens zwei Drittel aller Stimmen erhalten. Ein Ende der jahrzehntelangen Alleinherrschaft des Militärs ist damit zum Greifen nah.

Erstaunlich ist nicht nur, wie friedlich die Abstimmung verlaufen ist: Es gab keine größeren gewaltsamen Zwischenfälle. In einem von Kriegen zerrissenen Land ist schon dies ein Grund zum Feiern. Doch auch die Verlierer der Wahl geben sich derzeit sportlich. Htay Oo, Chef der armeenahen USDP, räumte schon vor Tagen nüchtern ein: „Wir haben verloren.“ Ex-General Thein Sein, der scheidende Präsident, gratulierte Suu Kyi ebenso wie der Armeechef.

Doch Burmas jahrzehntelanger Kampf für eine Demokratisierung ist damit noch nicht gewonnen. Zwar hat Armeechef Min Aung Hlaing unlängst erklärt, die Armee werde mit der gewählten Regierung zusammenarbeiten. Von der politischen Bühne verschwindet das Militär aber noch lang nicht.

Denn die Verfassung legt auch fest, dass die Armee mehrere Schlüsselministerien besetzt: das Verteidigungs-, Innen- und Grenzschutzministerium. Die Verfassung hat auch Staatsstreiche legalisiert: Sollte der Armeechef die nationale Sicherheit oder die nationale Einheit gefährdet sehen, kann er jederzeit die Macht übernehmen. Die Armee wird sich auch in Zukunft ohne Kontrolle durch die Regierung aus dem Staatshaushalt bedienen dürfen. So hat das bettelarme Land in den vergangenen Jahren stets mehr für die Armee ausgegeben als für Gesundheit und Bildung zusammen. Auch die Polizei und die Bürokratie bleiben unter der Kontrolle des Militärs.

Darüber hinaus haben die Generäle mit einem maßgeschneiderten Verfassungsartikel dafür gesorgt, dass Suu Kyi selbst nicht Präsidentin werden kann. Dass sich die 70-jährige Friedensnobelpreisträgerin davon nicht stoppen lassen will, hat sie konsequent zu verstehen gegeben. Mehrfach erklärte sie, dass sie nach einem Wahlsieg den Ton angeben werde – ganz gleich, ob sie Präsidentin ist oder nicht. Weiterhin ist sie bestrebt, die Verfassung zu ändern, die der Armee eine politische Rolle zuschreibt.

Konflikte sind also programmiert. Armeechef Min Aung Hlaing hat vor einigen Wochen in einem Interview klargemacht, dass die Armee auch in Zukunft eine politische Rolle behalten werde. Er wiederholte, was alle Armeechefs und Diktatoren im Land vor ihm gesagt haben – dass es zu früh sei für die Armee, sich von der politischen Bühne zu verabschieden. Der Übergang zur Demokratie müsse „diszipliniert“ erfolgen.

AUF EINEN BLICK

Wahlen. Aung San Suu Kyi hat mit ihrer Nationalliga für Demokratie (NLD) die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament in Burma gewonnen. Damit kann die Partei den nächsten Präsidenten bestimmen. Die NLD hatte schon vor Auszählung aller Stimmen am Freitag mehr als die Hälfte der 657 Sitze im Unter- und Oberhaus sicher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2015)

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