Ein Präsident, der in der Terrorkrise gewachsen ist

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FRANCE-ATTACKS-PARISAPA/AFP/MIGUEL MEDINA
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Vor den Terroranschlägen hatte der glücklose François Hollande eher mit Privataffären für Furore gesorgt. Erst heuer gewann er an Statur.

Wien/Paris. Frankreichs Staatschef war der große Abwesende beim traditionellen Gipfelfoto vor der mediterranen Kulisse in Antalya. François Hollande hatte Außenminister Laurent Fabius zum Treffen der Staats- und Regierungschefs in die Türkei geschickt. Der Präsident blieb in Paris, um gleichsam als Vaterfigur der verunsicherten Nation beizustehen, die am Sonntagabend in der Kathedrale von Notre Dame der Terroropfer gedachte.

Für den heutigen Montag berief Hollande die Nationalversammlung zu einer Sondersitzung nach Versailles – eine symbolische Aktion der nationalen Einheit, die nicht einmal Nicolas Sarkozy und Marine Le Pen zu stören wagten. Hollandes große Rivalen, der Chef der Republikaner und die Patronin des Front National, mäkelten zwar ein wenig herum, erlegten sich sonst aber zunächst Zurückhaltung auf. Der Präsident empfing seinen Vorgänger Sarkozy am Wochenende sogar zu einem Gespräch im Élysée-Palast. Lang hatte der Konservative nur Häme für ihn übrig.

In der Stunde der Not stilisiert sich Hollande zu einem über den Dingen stehenden Staatsoberhaupt à la Charles de Gaulle, zu einer Galionsfigur wie sein Vorbild François Mitterrand. Die überwiegende Mehrheit der Franzosen hat dem 61-Jährigen nicht mehr zugetraut, in eine solche Rolle zu schlüpfen. Der glücklose Präsident machte eher durch privaten Kalamitäten von sich reden als durch seine Politik. Hollande blieb Strukturreformen schuldig, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit floppte. In den Umfragen rasselte er vor einem Jahr auf den historischen Tiefstand von 13 Prozent, manche raunten von einem vorzeitigen Rücktritt. Eine Wiederwahl 2017 schien ganz und gar ausgeschlossen.

2007 hatte ihm seine damalige Lebensgefährtin, Ségolène Royal, die Mutter seiner vier Kinder, die Präsidentschaftskandidatur vor der Nase weggeschnappt, was schließlich auch privat zur Trennung führte. Noch vor der Wahl schmiss sie ihn aus der Wohnung, weil er sie mit der Journalistin Valerie Trierweiler betrog. 2012 kam der farblose Parteisoldat Hollande nur zum Zug, da sich der Favorit, sein populärer Kontrahent Dominique Strauss-Kahn, in eine peinliche Sexaffäre verstrickt hatte. Und als ihm Trierweiler eine Szene machte, weil sich der Präsident in der Nacht zu seiner Geliebten, der Schauspielerin Julie Gayet, davonstahl, schien Hollande vollends am Ende – zumal Trierweiler in dem Schlüsselloch-Buch „Merci pour ce moment“ unschöne Charakterzüge des untreuen Bonvivants ausplauderte.

Die Wende kam mit den Anschlägen gegen die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ zu Beginn des Jahres. Eine Stunde nach dem Attentat besuchte er den Tatort, er sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus und beschwor in einer Fernsehansprache den Zusammenhalt der Nation. Entschlossen ordnete er die Erstürmung des koscheren Supermarkts Hyper Cacher, in dem die Attentäter Geiseln genommen hatten, an und rief die Welt zu einer Solidaritätsaktion nach Paris, zu einem „republikanischen Marsch“.

Seither prägt der Terror die Präsidentschaft Hollandes – ähnlich wie er auch George W. Bush geformt hat. „Ich habe mich notgedrungen verändert nach diesen Ereignissen“, gab der Arztsohn unumwunden zu. Außenpolitisch hat er in Mali und in Zentralafrika auf Intervention gesetzt, auch in Syrien engagiert sich Frankreich seit dem Herbst verstärkt im Kampf gegen die IS-Milizen.

„Das ist die Schuld von Hollande, eurem Präsidenten“, rief einer der Attentäter im Bataclan Konzertbesuchern zu – während der vom Fußballstadion ins Krisenzentrum eilte. Noch in der Terrornacht wandte sich Hollande in einer TV-Rede aus dem Élysée an seine Landsleute und rief den Notstand aus. Hinterher besuchte er an der Seite seines Premiers, Manuel Valls, das Bataclan und sprach von einem „Akt des Kriegs“. In der Terrorkrise ist Hollande als Präsident gewachsen, er hat an Führungskraft und Statur gewonnen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)

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