Der verlorene Jihadistensohn

Vor einem Jahr suchte Mohamed A. seinen Sohn in Syrien. Er fand ihn beim IS. Jetzt kehrte Samy A. zurück – als Attentäter von Paris.

Wien/Paris. Drei Wochen lang war Mohamed in Syrien unterwegs. Im Juni 2014 passierte der damals 67-Jährige die türkisch-syrische Grenze Richtung Aleppo, im kleinen Bus saßen „Männer, Frauen, Kinder, Russen, Europäer, Maghrebiner“. Nur ein paar Tage später rief der selbst ernannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi das „Kalifat“ aus. Mohamed aber wollte in Syrien seinen Sohn Samy A. finden und ihn überreden, zurück nach Frankreich zu kommen. Gefunden hat er den damals 27-Jährigen tatsächlich, nur mitgekommen ist er nicht. Über ein Jahr später kehrte A. dann doch nach Frankreich zurück – er dürfte einer der Attentäter gewesen sein, der Freitagnacht in der Pariser Konzerthalle Bataclan ein Blutbad angerichtet und anschließend ein Selbstmordattentat verübt hat.

Bereits im Dezember 2014 veröffentlichte „Le Monde“ einen Artikel über Mohamed, der der Zeitung – und offenbar auch anderen Medien – von seiner Reise nach Syrien und der Suche nach seinem Sohn berichtete. Samy A. hatte sich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) angeschlossen, den Behörden war er ebenfalls bekannt, es wurde nach ihm gefahndet. Mit seinem Vater hatte A., so berichtete es Mohamed damals, weiterhin und mindestens einmal im Monat per Skype Kontakt. Dass er nach Syrien fahren werde, habe er dem Sohn vorab nicht mitgeteilt. Erst als er im südtürkischen Gaziantep ankam, habe er A. angerufen. Der wiederum habe seinen Vater über Mittelsmänner holen lassen. Nach der „Grenze“ zum IS habe man Mohamed als neues IS-Mitglied begrüßt („Trotz deines Alters bist du gekommen, um zu kämpfen“) – und ihm gratuliert.

Es sei ein „kaltes Wiedersehen“ gewesen, sagte der Vater. Sein Sohn sei auf Krücken gegangen, er habe keinerlei Informationen über seinen Wohnort oder Beschäftigung bekommen. Die Begegnungen seien stets von den IS-Leuten bewacht worden. Geld, das er Samy geben wollte, habe dieser nicht angenommen, und unverrichteter Dinge reiste Mohamed wieder über die Türkei nach Frankreich – übrigens ohne Zwischenfälle und ohne Verhaftung. Samy A. wurde in Paris geboren. Medienberichten zufolge befinden sich nun mindestens drei Mitglieder seiner Familie in Polizeigewahrsam. (duö)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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