London: „Frage ist nicht, ob, sondern wann der Anschlag kommt“

An armed police officer stands on duty outside St Stephen´s entrance to the Houses of Parliement, in London
An armed police officer stands on duty outside St Stephen´s entrance to the Houses of Parliement, in London(c) REUTERS (PAUL HACKETT)
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Regierung warnt vor Terrorgefahr und stockt Ausgaben für Militär sowie Geheimdienste drastisch auf.

London. Nach den Terroranschlägen in Paris verschärft Großbritannien die Sicherheitsmaßnahmen: In einer Grundsatzrede zur Außenpolitik kündigte Premier David Cameron Montagabend in London an, dass die Militärausgaben bis 2020 um knapp zwei Mrd. Pfund erhöht werden sollen. Mit dem Ankauf neuer Ausrüstung und zusätzlichem Personal soll Großbritannien in der Lage sein, auf terroristische Herausforderungen „rasche, flexible und großzügig finanzierte Antworten“ geben zu können.

Dass die Bedrohung längst alle Bereiche des täglichen Lebens erfasst hat, unterstrich gestern Schatzkanzler George Osborne. Neben traditionellen Gewaltakten würden die Terroristen zunehmend danach trachten, sich die Möglichkeiten des Internets zunutze zu machen. „Sie haben noch nicht die Fähigkeit, aber wir wissen, dass sie danach streben“, sagte Osborne. Er warnte vor „tödlichen Cyber-Anschlägen“ und fügte hinzu: „Wir müssen davon ausgehen, dass jedes britische Unternehmen ein Ziel ist, jedes Netzwerk angegriffen wird und Cyber-Kriminalität jeden von uns betreffen kann.“

Zur Bekämpfung der Gefahren und zum besseren Schutz will Großbritannien 1900 neue Mitarbeiter für die Geheim- und Sicherheitsdienste einstellen. Das entspricht einer Ausweitung der Sicherheitskräfte um 15 Prozent. Ein National Cyber Centre soll die Aktivitäten des Staates im Internet stärken. „Jeder ist ein mögliches Ziel“, warnte Osborne. Cameron will der Herausforderung auch mit einer Neuausrichtung der Entwicklungshilfe begegnen. Von den zwölf Mrd. Pfund, die Großbritannien jedes Jahr dafür ausgibt, soll in Zukunft ein Teil in Failed States fließen, um zu verhindern, dass die „Brutstätten des Terrorismus“ werden. Im Jänner will Großbritannien dann eine neue Sicherheitsdoktrin vorstellen. Camerons Rede machte bereits klar, dass der Antiterrorkampf im Mittelpunkt stehen wird.

Das erhöhte Gefühl der Bedrohung verschafft auch den Bemühungen von Innenministerin Theresa May zur Ausweitung der staatlichen Überwachungsrechte Rückenwind. Vergangene Woche legte sie einen Gesetzesvorschlag vor, laut dem jede Internetaktivität in Großbritannien überwacht und gespeichert werden soll. Die Opposition war ihr vor, eine Spitzelstaat zu planen.

Cameron geht demonstrativ zu Match

Wie real die Terrorgefahr auch in London ist, rief nicht zuletzt Cameron in Erinnerung. Die Sicherheitsbehörden hätten allein in den „vergangenen Monaten sieben Terrorplots verhindert“, erklärte der Premier. Für London gilt eine Sicherheitswarnstufe der zweithöchsten Stufe, an neuralgischen Verkehrspunkten und auf Flughäfen wurde die Zahl der Sicherheitskräfte verschärft. May warnt: „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann es zu einem Anschlag kommen wird.“

Davon wollen sich die Briten allerdings nicht unterkriegen lassen. Selten hat für ein Freundschaftsspiel dieses Wort so sehr Gültigkeit gehabt wie für das Match England gegen Frankreich im Wembley-Stadion am Dienstag. Für alle Franzosen war das Spiel als Demonstration der Solidarität geplant. Der Bogen über dem Stadion wurde in den Farben der Tricolore beleuchtet, Cameron schrieb ins Kondolenzbuch der französischen Botschaft: „Nous sommes tous ensemble.“ Er und Prinz William wollten dem Spiel beiwohnen. Aus dem Erzfeind wird in diesen Tagen der Not der ältere Bruder.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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