Die französischen Juden im Visier der Islamisten

(c) APA/EPA/ABIR SULTAN (ABIR SULTAN)
  • Drucken

Vor Messerattacke auf Lehrer in Marseille gab es auch einen anti-israelischen Konnex beim Attentat im Bataclan.

Wien/Paris. Der Vorfall ist geradezu symptomatisch für die antisemitischen Attacken in Frankreich, die in den vergangenen Jahren einen kleinen Exodus französischer Juden nach Israel ausgelöst haben: Am Mittwochabend griffen drei Männer einen Lehrer einer jüdischen Schule in Marseille mit einem Messer an, nur weil er durch seine Kippa als Jude kenntlich war. Nicht nur in Israel, wie auch gestern wieder in Tel Aviv, haben Messerattacken zuletzt überhandgenommen. Auch Marseille, traditionell Heimat einer großen arabischstämmigen Minderheit, ist besonders berüchtigt: Erst vor wenigen Wochen zielte ein ähnlicher Angriff nahe der Synagoge auf drei Juden, darunter einen Rabbi.

Ein antisemitischer Konnex besteht auch zu den Attentaten in Paris. Bis zum Verkauf vor zwei Monaten führten die jüdischen Brüder Pascal und – der inzwischen nach Israel emigrierte – Joel Laloux die legendäre Konzerthalle Bataclan mit der im chinesischen Stil gehaltenen Holzfassade, Ort des jüngsten Terrorinfernos. Islamisten hatten immer wieder Attentatsdrohungen gegen den Bataclan ausgesprochen, weil jüdische Organisationen Solidaritäts- und Spendengalas für Israel und die Grenzpolizei Magav abhielten. Die Rockband Eagles of Death Metal, deren Konzert die Terroristen stürmten, hatte erst im Sommer in Tel Aviv ein Konzert gespielt, sich demonstrativ Boykottaufrufen widersetzt und Anti-Israel-Aktivisten mit einem beherzten „Fuck you“ bedacht.

Vor allem nach dem Terror im koscheren Supermarkt Hyper Cacher im Jänner in Vincennes, im Osten von Paris, hat sich die Ausreisewelle französischer Juden nach Israel intensiviert. Der Ort des Attentats war ganz bewusst gewählt. Amedy Coulibaly, ein Komplize des Anschlags auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“, erschoss bei der Geiselnahme vier Juden. Hinterher verstärkte Frankreich noch einmal den Schutz der Synagogen, jüdischen Schulen und Institutionen.

„Wir fühlen uns schutzlos“, bekundete damals indes Roger Cukierman, der Vorstand der jüdischen Organisationen in Frankreich, und bezog sich dabei auf eine Anschlagsserie – den Amoklauf Mohamed Merahs 2013 vor einer jüdischen Schule in Toulouse, den Anschlag eines Franzosen auf das Jüdische Museum in Brüssel zwei Jahre später sowie eine Reihe antisemitischer Zwischenfälle.

Premier Manuel Valls richtete einen leidenschaftlichen Appell an Frankreichs jüdische Gemeinde, mit einer halben Million die größte Europas: „Wir brauchen die Juden. Ohne den Judaismus ist die Französische Republik nicht vorstellbar.“ Gleichzeitig warb Israels Premier Benjamin Netanjahu beim Solidaritätsmarsch in Paris für eine Auswanderung in den jüdischen Staat. (vier)

Terror in Paris - Diskutieren Sie mit im Themenforum!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.