Argentinien: Ein Sieger auf der Suche nach Devisen

Neue Ära: Mit seinem Wahlsieg beendet der Konservative Macri, hier mit Tochter Antonia (4), die Herrschaft des Peronismus.
Neue Ära: Mit seinem Wahlsieg beendet der Konservative Macri, hier mit Tochter Antonia (4), die Herrschaft des Peronismus.(c) APA/EPA/DAVID FERNANDEZ (DAVID FERNANDEZ)
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Der Gewinner der Präsidentenwahl, Mauricio Macri, muss nun einen Schuldenberg verwalten. Er hat mit sozialen Protesten und Widerstand der Kirchneristen zu rechnen.

Buenos Aires. Auch am Morgen danach war ihm die Freude über den Sieg in der Stichwahl deutlich anzusehen. Keine elf Stunden, nachdem Mauricio Macri getanzt und gefeiert hatte, bat der erschöpfte Noch-Hauptstadt-Bürgermeister zur ersten Pressekonferenz. Dass der 56-Jährige schon am nächsten Morgen mit den Medien sprach, war alles andere als ein Akt republikanischer Routine – es war ein Fanal des Wandels. Zwölf Jahre lang hatten sich Néstor und Cristina Kirchner geweigert, sich offen den Medien zu stellen. Eine Abkehr vom Kirchner'schen Führungsstil ist eines von Macris wichtigsten Wahlverprechen. Und es gehört zu den wenigen, die sich ab dem ersten Tag einlösen lassen.

Alles andere wird wohl aufwendiger, schwieriger und womöglich auch langwieriger. Als Macri am Montag nach seinen wirtschaftlichen Vorhaben gefragt wurde, musste er passen. Er wisse ja noch gar nicht, welchen Kassenstand er am 10. Dezember erben werde. Das ist ein Verweis auf Kirchners aberwitzigen Umgang mit Statistiken und auf viele undurchsichtige Manöver, mit denen die Administración K den Wählern eine Prosperität bis zum Urnengang vorgegaukelt hat. Der 2010 im Streit geschiedene ehemalige Zentralbankchef, Martín Redrado, schätzt, dass dem Land nicht mehr als 3,5 Milliarden Dollar an Währungsreserven bleiben. Zum Vergleich: Das krisengeplagte Brasilien hat mehr als hundertmal so viel auf der hohen Kante.

Soja wird nicht besteuert

Macri braucht schnell frische Devisen. Allgemein wird vermutet, dass er Weizen und Mais von den Abgaben befreit und das Prime-Produkt Soja – zumindest temporär – nicht besteuert. Sieben Milliarden Dollar von den Feldern könnten den Anschub der Erneuerung finanzieren. Doch Argentinien wird viel mehr brauchen. Die Importeure des Landes haben zwischen sechs und zehn Milliarden Dollar Schulden bei ihren Lieferanten aufgehäuft, weil Kirchner keine Devisen mehr freigab. Allgemein wird erwartet, dass Macri eine Lösung mit den Altschuldnern des Landes anstrebt. Diese Gespräche mit den Hedge-Fonds könnten bald beginnen, doch eine endgültige Einigung wird die Zustimmung des Parlaments brauchen. Und diese wird nicht einfach zu bekommen sein.

In einer frühen Phase des Wahlkampfes hat Macri versprochen, die Devisenkontrollen am ersten Tag seiner Regierung abzuschaffen. Dieses Versprechen muss er wohl brechen, die Freigabe des Dollars könnte einen Sturm auf die Banken auslösen und die wenigen Reserven vernichten. Gleichzeitig muss Macri versuchen, die seit zehn Jahren zweistellige Inflation zu senken, zuletzt lag diese bei etwa 25 Prozent. Unter Kirchner nahmen die Staatsausgaben seit 2007 um das Vierfache zu. Finanziert wurde diese Fiesta vor allem mit der Notenpresse.

Macri muss sparen und das kann soziale Proteste heraufbeschwören, die sicher von den nun ausgebooteten Kirchner-treuen Basisgruppen massiv angefacht werden. Den sozialen Netzen war am Wahlabend ein Vorgeschmack auf die kommenden Monate zu entnehmen. Die Jugendorganisation La Cámpora schwor ihre Mitglieder auf die neue Maxime ein: Resistencia!, Widerstand.

Diesem wird Macri nicht nur auf den Straßen entgegentreten müssen, sondern auch im Staatsapparat. Präsidentin Kirchner hat zuletzt Ministerien, Gerichte, den Geheimdienst und öffentliche Banken mit mehr als 5000 Getreuen besetzt, die einen Teil ihres Lohnes werden abführen müssen. Dieser Klientelismus wird in alle Welt ausstrahlen, 17 hoch dotierte Botschafterposten besetzte Kirchner in den vergangenen Wochen mit treuen Kadern.

Allianzen im Parlament

Diesen verminten Staat zu regieren, kann Macri nur gelingen, wenn er im Parlament weite Allianzen schafft. Denn im Kongress besetzt seine eigene Partei PRO nur 41 von 257 Sitzen. Doch selbst die 50 Mandate seiner Koalitionspartner Unión Cívica Radical (UCR) und Coalición Cívica (CC) reichen nicht für eine Mehrheit. Macri, der erste Präsident, der nicht Peronist und nicht Radical ist, wird die Hilfe von Peronisten brauchen, um das Land zu reformieren.

Eine Schlüsselrolle hat dabei Sérgio Massa. Der 43-Jährige ist 2013 im Streit aus Kirchners Siegesfront ausgetreten und besetzt nun mit seiner Erneuerungsfront 36 Sitze im Kongress. Massa hat angekündigt, Macri zu unterstützen. Doch niemand weiß, wie lang der begabte und ehrgeizige Peronist Massa sein Ego in den Dienst eines Nichtperonisten stellen wird. Macri muss sich auf kurze Flitterwochen mit der Macht einstellen. Schon im Dezember muss er Gehälter und Weihnachtsgelder bezahlen. Das Geld dafür hat seine Vorgängerin längst ausgegeben.

Auf einen Blick

Neuer Präsident. Nach zwölf Jahren Ära Kirchner – Néstor und Cristina – konnte am Sonntag der Konservative Mauricio Macri die Präsidentenwahl in Argentinien für sich entscheiden. Der 56-jährige Ingenieur und Sohn eines der reichsten Argentiniers war Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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