Frankreichs Präsident stößt bei seiner Allianz gegen die Terrormilizen des IS auf beträchtliche Hürden.
Paris/Washington. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt gaben sich im Halbtagesrhythmus im Weißen Haus die Klinke in die Hand, um dem Präsidenten nach den Terrorschlägen Beistand zu geloben und der verwundeten und schockierten Nation ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Im September 2001 war Washington die Drehscheibe der Weltpolitik, und George W. Bush sprach von einem erbarmungslosen „Krieg gegen den Terror“. Seine Regierung tüftelte an Notstandsgesetzen und einer weltweiten Allianz gegen die Terroristen am Hindukusch.
Der Sozialdemokrat François Hollande, beflügelt von einem zarten Anstieg in den Umfragewerten, findet sich nun in einer ähnlichen Situation wie der Konservative George W. Bush, und die Parallelen der beiden Kriegspräsidenten erschöpfen sich nicht in ihrer martialischen Rhetorik. „Frankreich ist im Krieg“, tönte er. Reminiszenzen an die Tage des 9/11-Terrors kamen auf, als Hollande – demonstrativ in Begleitung seines Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian – und sein Gastgeber, Barack Obama, am Dienstag Schulter an Schulter im Weißen Haus standen und dabei die westlichen Werte und die unverbrüchliche Einheit bei ihrer Verteidigung beschworen. Obama agiert unter dem Druck prominenter Republikaner wie John McCain und Jeb Bush, die für eine Entsendung von Bodentruppen plädieren.
Zwei große Streitfragen
Kooperation, Koordination und Koalition im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat: Dies war die einzige Agenda der Hollande-Stippvisite in Washington und seines Treffens mit dem britischen Premier, David Cameron, am Montag in Paris, und es ist auch das dominierende Thema bei seinen Sondierungen mit Angela Merkel heute in Paris, mit Wladimir Putin am Donnerstag im Kreml und am Sonntag mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Chinas Staatschef, Xi Jinping, im Vorfeld der Klimaschutzkonferenz in der französischen Hauptstadt. Unmittelbar nach dem schwarzen Freitag, der Terrornacht in Paris, als die Staatsführer beim G20-Gipfel im türkischen Antalya zusammenkamen, war Frankreichs Präsident in der Heimat noch unabkömmlich. Jetzt erhöht er angesichts der Terrorbedrohung in Europa die internationalen Bemühungen im Terrorkrieg.
Die geostrategischen Sonderinteressen komplizieren indessen die Aufgabe des französischen Präsidenten. Die al-Qaida und die Taliban, die gemeinsamen Feinde Russlands und der USA in Afghanistan, einten die ehemaligen Gegner des Kalten Kriegs in ihrem Anti-Terror-Feldzug. Der Syrien-Krieg und die Ukraine-Krise stellen die Kriegsherren in Paris, Washington und Moskau nun aber vor beträchtliche Hürden, wie Hollande dieser Tage konstatieren muss.
Die heimischen Republikaner, die konservative Opposition unter Nicolas Sarkozy, haben den Präsidenten vor dem Washington-Besuch aufgefordert, sich für eine Aufhebung der Russland-Sanktionen einzusetzen – einer Grundstimmung, die nicht nur in Frankreich wächst. Der Plan stößt in der Obama-Regierung allerdings auf einhelligen Widerstand. Obama würdigte zwar zuletzt die Rolle Moskaus in Syrien als konstruktiv, doch ist er nicht zu Konzessionen gegenüber Russland in der Sanktionenfrage bereit. Dem Vernehmen nach haben sich führende EU-Regierungschefs – und Frankreichs Außenminister, Laurent Fabius, in Vertretung Hollandes – beim G20-Gipfel auf eine Verlängerung der Sanktionen gegenüber Moskau geeinigt.
Nicht verhandelbar ist für Washington wie Paris zudem die zukünftige Rolle des syrischen Diktators, Bashar al-Assad. Im Gegensatz zu Russland und dem Iran, Assads Schutzmächten, wehren sich die USA und Frankreich vehement gegen eine herausgehobene Position des Diktators über eine 18-monatige Interimsphase hinaus, wie sie die Außenminister bei ihrer letzten Verhandlungsrunde in Wien avisiert haben.
Während Hollande dabei ist, eine internationale Anti-IS-Allianz zu schmieden, ist auch Putin nicht untätig. In Gesprächen mit dem iranischen Präsidenten Rohani in Teheran, mit Jordaniens König Abdullah und demnächst mit Israels Premier Netanjahu verfolgt er seine eigene Nahost-Agenda.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2015)