Sondertreffen: Streit um Geld behindert Einigung mit Türkei

Recep Tayyip Erdoğan.
Recep Tayyip Erdoğan.(c) APA/AFP/ADEM ALTAN (ADEM ALTAN)
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Die EU-Regierungen suchen nach einen Kompromiss mit Ankara, um die Flüchtlingswelle einzudämmen.

Brüssel/Straßburg. Zwei Millionen Syrer haben in der benachbarten Türkei Zuflucht vor dem Bürgerkrieg gefunden – und angesichts der dramatischen Lage könnten es noch viel mehr werden. Die Frage des Umgangs mit syrischen Flüchtlingen wird die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem außerplanmäßigen Gipfeltreffen mit dem türkischen Staatschef, Recep Tayyip Erdoğan, am kommenden Sonntag beschäftigen. Doch damit der Sondergipfel ein Erfolg wird, braucht es den Willen zu einem Kompromiss. Während die Türkei möglichst große Zugeständnisse der Europäer erhalten will, wird in der EU (wieder einmal) über Geld gestritten. Konkret geht es um jene drei Mrd. Euro, die Ankara für den Zeitraum 2015 und 2016 von der EU-Kommission versprochen wurden – das Geld soll für die Versorgung der Flüchtlinge verwendet werden.

Die Brüsseler Behörde macht dabei 500 Mio. Euro locker, den Rest sollen die Mitgliedstaaten beisteuern. Und zwar nach einem Verteilungsschlüssel, der vor zwei Wochen beim Sondergipfel in Malta präsentiert wurde und sich nach der Wirtschaftskraft richtet. Demnach wären Deutschland mit 534 Mio. Euro, gefolgt von Großbritannien (409 Mio.) und Frankreich (386 Mio.) die größten Zahler. Auf Österreich entfielen 57 Mio. Euro. Doch dieser Schlüssel ist umstritten. Am heutigen Donnerstag sollen Diplomaten in Brüssel erneut über die Höhe der nationalen Beiträge verhandeln. Sollten sie nicht auf einen grünen Zweig kommen, müsste die Angelegenheit von den Staats- und Regierungschefs am Sonntag diskutiert werden – was den Besuchern aus Ankara durchaus gelegen käme.

Erdoğan will Zuzug eindämmen

In Kommissionskreisen wird seit Wochen davor gewarnt, die Angelegenheit auf die lange Bank zu schieben, um den Türken keine Gelegenheit zu geben, ihre finanziellen Forderungen immer weiter nach oben zu schrauben. Grundlage der Verhandlungen ist ein von der Brüsseler Behörde ausgearbeiteter Aktionsplan, der unter anderem die Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen sowie regelmäßige Konsultationen auf höchster Ebene vorsieht. Auch eine (nicht unumstrittene) Lockerung des EU-Visaregimes für türkische Reisende könnte Teil des Pakets werden – sofern die Türkei im Gegenzug dafür sorgt, dass nicht mehr so viele Flüchtlinge über Griechenland in die EU einreisen.

Präsident Erdoğan kündigte am gestrigen Mittwoch jedenfalls an, sein Land werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um eine neue Migrationswelle zu vermeiden“ – und zwar auf beiden Seiten der syrischen Grenze. Ein besonders heikler Punkt dürfte die Frage des Umgangs mit Syrern in der Türkei sein: Die EU hält es für sinnvoll, dass Ankara den türkischen Arbeitsmarkt für die Flüchtlinge öffnet, die derzeit keiner legalen Beschäftigung nachgehen dürfen. Es ist eine delikate Angelegenheit angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Türkei.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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