Wer kämpft mit? Das schwierige Schmieden einer Anti-IS-Allianz

Putin und Hollande
Putin und Hollande(c) REUTERS (SPUTNIK)
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Frankreichs Präsident Hollande beriet mit Russlands Präsidenten Putin über ein breites Bündnis gegen den IS. Doch rivalisierende Interessen erschweren ein gemeinsames Vorgehen.

Die Weltmächte müssen „eine große Allianz“ schmieden, um die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) zu besiegen. Das forderte Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstagabend bei seinem Treffen mit Wladimir Putin in Russlands Hauptstadt Moskau. Und der Kreml-Chef versprach: „Wir sind bereit zu dieser Zusammenarbeit.“ Zuvor hatte Putin verlangt, dass „eine mächtige Kraft“ entstehen müsse, die „die Handlungen des russischen Militärs in Syrien unterstützt“. Hollande lotete in Moskau aus, wie eine Kooperation gegen den IS aussehen könnte. Seit den Anschlägen in Paris am 13. November zeigt er sich wild entschlossen, den Jihadisten, die Teile Syriens und des Iraks kontrollieren, schmerzhafte militärische Schläge zuzufügen.

Am Mittwoch sagte bereits Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen Hollande Unterstützung zu. Am Donnerstag gab die Bundesregierung in Berlin dann bekannt, Tornado-Kampfflugzeuge zum Einsatz über Syrien entsenden zu wollen. Die Tornados werden dort Aufklärungsflüge durchführen. Auch die deutsche Marine soll sich an dem Anti-IS-Einsatz beteiligen.

Der UN-Sicherheitsrat in New York hat bereits eine Resolution zum Kampf gegen den Islamischen Staat verabschiedet: Demnach sollen sich alle Länder, die dazu in der Lage sind, „an der Vernichtung“ der IS-Rückzugsbasen in Syrien und im Irak beteiligen. Schon seit Sommer 2014 fliegt eine Allianz unter der Führung der USA Luftangriffe gegen den IS. Und seit Ende September führt auch Russland Operationen in Syrien durch.

Spannungen Moskau – Ankara wachsen

Nun soll für den Kampf gegen den IS ein größeres, gemeinsames Bündnis geschmiedet werden. Doch das ist schwierig: Zwar sehen sowohl die Großmächte als auch die wichtigsten Regionalmächte – zumindest offiziell – die Extremisten des IS als Bedrohung an. Doch parallel dazu verfolgen sie jeweils ihre strategischen Eigeninteressen, die in Konkurrenz zueinander stehen. Das zeigen etwa die wachsenden Spannungen zwischen Moskau und Ankara rund um den Abschuss eines russischen Su-24-Bombers durch die türkische Luftwaffe nur allzu deutlich.

Russland und Iran. Die russischen Streitkräfte eilten in Syrien dem Regime des Machthabers Bashar al-Assad zu Hilfe. Seit dem Anschlag auf eine russische Passagiermaschine über Ägypten fliegt Russland zwar verstärkt Angriffe auf die IS-Hauptstadt Raqqa. Zuvor hat der Großteil der Einsätze aber nicht dem IS, sondern anderen Rebellengruppen gegolten, die Assad stürzen wollen. Nun hat Putin Hollande zugesagt, die gemäßigte syrische Opposition künftig schonen zu wollen, wenn diese gegen die Terroristen kämpfe. Moskaus Strategie für Syrien lautet aber nach wie vor: Das Regime soll bleiben, der Aufstand gegen den Diktator weitgehend zerschlagen werden.
Hier treffen sich Russlands Interessen mit jenen des Iran. Teherans Eliteeinheiten kämpfen im Irak – zum Teil mit US-Luftunterstützung – gegen den IS, in Syrien mit russischer Luftunterstützung gegen den IS, aber auch gegen alle anderen Rebellengruppen. Auch der russische Bomber, der von der Türkei vom Himmel geholt wurde, hatte offenbar nicht den IS im Visier, sondern turkmenische Rebellen, die gegen Assad kämpfen.

Türkei und Saudiarabien. Die Regierung in Ankara sieht sich als Schutzmacht der turkmenischen Minderheit. Sie unterstützt bewaffnete turkmenische Gruppen in Syrien, von denen einige durchaus zum Jihadismus tendieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan stellte am Donnerstag klar, dass er sich nicht für den Abschuss des russischen Kampfflugzeugs entschuldigen werde. Moskau plant im Gegenzug, die Kontrollen bei der Einfuhr türkischer Lebensmittel zu verschärfen. Im Gegensatz zu Russland will die Türkei den Sturz des Assad-Regimes. Deshalb unternahmen die türkischen Behörden lange Zeit nur wenig gegen das Einsickern ausländischer Kämpfer aus der Türkei nach Syrien. Davon profitierte auch der IS.
Mittlerweile betrachtet die Türkei – und auch die Golfstaaten um Saudiarabien – den IS durchaus als Gefahr. Als Hauptfeind wird aber nach wie vor Diktator Assad gesehen.

USA und EU-Staaten. Die USA und europäische Staaten wie Frankreich oder Großbritannien wollen vor allem die Bedrohung durch den IS bekämpfen. Der Rückzug Assads von der Macht scheint hingegen keine Priorität mehr zu haben. Trotzdem will man – entgegen den Wünschen Moskaus und Teherans – keine direkte Anti-IS-Allianz mit Diktator Assad eingehen, da dieser für den Tod Zigtausender Zivilisten verantwortlich ist. Das würde zudem auch Teile der syrischen Rebellen und Verbündete wie Saudiarabien und die Türkei vor den Kopf stoßen.

AUF EINEN BLICK

Nach IS-Attentaten in Paris gab der UN-Sicherheitsrat grünes Licht für ein internationales Vorgehen gegen die IS-Extremisten. Russland zielt bei seinem Vorgehen in Syrien aber nach wie vor darauf ab, das Assad-Regime zu stützen. Vor allem die Türkei und Saudiarabien sind dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2015)

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