Klimakonferenz: Wieder eine letzte Chance

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Am Montag nehmen die Staaten in Paris einen erneuten Anlauf, die Erderwärmung einzudämmen. Es zeichnet sich ein Minimalkompromiss ab. Das Zwei-Grad-Ziel ist außer Reichweite.

Wien. 2015 dürfte das wärmste Jahr in der Geschichte der Menschheit werden, verkünden die Vereinten die Nationen. Lang wird der Rekord nicht währen. Schon für 2016 sagt die Organisation einen neuerlichen Temperaturanstieg voraus. Diese Meldung kommt nicht zufällig schon wenige Wochen vor Jahresende. Ab Montag versuchen die Staatschefs in Paris, wieder einmal ein weltweites Klimaabkommen für die Zeit nach 2020 zu schnüren. Trotz der bisher bescheidenen Bilanz mühen sich die Organisatoren um gute Stimmung. „So weit waren wir noch nie“, sagt Andrä Rupprechter, Österreichs Umweltminister (ÖVP). Aber reicht das aus? „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen.

1. Wird der Weltklimagipfel in Paris das globale Klima diesmal retten können?

Eher nein. Die 190 Staaten werden am Ende der zwei Wochen zwar ein Abkommen unterzeichnet haben – alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht des Gastgebers, Frankreich, der ein Pariser Abkommen zur Angelegenheit nationalen Prestiges gemacht hat. Fraglich ist jedoch, wie gehaltvoll und verbindlich dieses sein wird. Der Blick zurück gibt wenig Anlass zur Hoffnung: In einem Vierteljahrhundert voll Klimakonferenzen stieg der globale Kohlendioxidausstoß um 56 Prozent an. Trotz Kyoto-Abkommens, Ökostromförderungen und Energiewende. Diesmal soll alles anders werden, versprechen die Regierungen. Selbst die bisherigen Bremser, China und USA, machen sich für ein Abkommen stark. Ein Unsicherheitsfaktor bleiben die ärmeren Länder. Sie könnten ihr Vetorecht nutzen, um bindende Finanzierungszusagen für Technologietransfer und die Behebung von Klimaschäden zu erhalten.

2. Warum sind Xi Jinping, Chinas Präsident, und US-Präsident Barack Obama nun mit an Bord?

Grund für den Klima-Enthusiasmus der beiden größten Treibhausgas-Emittenten ist eine grundlegende Änderung im Verhandlungsdesign. Statt wie bisher erfolglos um ein ein globales Ziel für alle zu feilschen, dürfen die Staaten für sich selbst entscheiden, was sie zum Klimaschutz beitragen wollen. Der Vorteil: So unverbindlich, wie dieser Zugang ist, machen (fast) alle mit. 177 Staaten, die zusammen für 95 Prozent der Treibhausgase verantwortlich sind, haben ihre Willensbekundungen bekannt gegeben. Der Nachteil: Die Angebote variieren stark, sind schwer vergleichbar und kaum kontrollierbar.

3. Reichen die Selbstverpflichtungen aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen?

Nein. Der Wiener Ökonom Stefan Schleicher hat errechnet, dass die bisherigen Zusagen bis 2030 beinahe verdoppelt werden müssten, um eine 50:50-Chance zu haben, dass die Temperatur auf der Erde nicht um mehr als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu liegen kommt. Die EU-Kommission erwartet, dass die Erwärmung eher drei Grad erreichen wird. Dazu kommt, dass die meisten Angebote bisher vollkommen unverbindlich sind. Die EU ist bereit, sich zu verpflichten, bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. China, Indien oder Russland planen hingegen nicht, ihren CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren wirklich zu senken.

4. Wie kann verhindert werden, dass das Abkommen von Paris ausgehöhlt wird?

Um das Engagement der Staaten langfristig sicherzustellen, brauchte es ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen, das auch klare Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Nichteinhalten enthält. Dagegen gibt es große Widerstände. Um einen Minimalkonsens zu verhindern, der dem Klima nichts nützt, drängen die Europäer nun darauf, dass die Staaten ihre Angebote alle fünf Jahre nachschärfen müssen.

5. Warum reden alle vom Zwei-Grad-Ziel? Wären 2,1 Grad wirklich so viel schlimmer?

Das Zwei-Grad-Limit ist kein wissenschaftliches, sondern ein politisches Ziel, das die EU schon vor 20 Jahren ins Spiel gebracht hat. Bei Forschern steht es seit geraumer Zeit in der Kritik. Unter anderem deshalb, weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass die Marke kaum noch zu erreichen ist (siehe Seite 3). Mittlerweile bauen Forscher unter anderem darauf, dass sie die Erwärmung langsamer kommt als gedacht. Verpasst die Menschheit das Zwei-Grad-Ziel, wird das auf der ganzen Welt – in unterschiedlicher Ausprägung – spürbar sein. Die Gletscher werden schneller schmelzen, der Wasserstand der Ozeane wird ansteigen, Hitzewellen dürften häufiger werden. Ob auch extreme Wetterphänomene wie Stürme oder Dürren häufiger würden, ist nicht eindeutig geklärt.

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