Erdoğan wirft Wladimir Putin ein „Spiel mit dem Feuer“ vor

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Der Ton zwischen Ankara und Moskau wird rauer. Zugleich erhöhen die türkischen Behörden den Druck auf kritische Journalisten.

Istanbul. Der Krieg der Worte zwischen dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, und dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, ist am Freitag weiter eskaliert. Erdoğan rief den Kreml-Chef dazu auf, in Syrien nicht „mit dem Feuer zu spielen“ und die „Verleumdungskampagne gegen die Türkei“ einzustellen. Putin hatte der Türkei unter anderem vorgeworfen, illegal exportiertes Öl von den Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) zu kaufen und damit den Terror zu unterstützen. Auch der französische Außenminister, Laurent Fabius, sagte, es gebe „sehr starke Hinweise“ darauf, dass Öl vom IS in die Türkei geliefert werde. Nach eigener Darstellung unternimmt die Türkei alles, um den Öl- und Dieselschmuggel zu stoppen. Allein in der ersten Hälfte des Jahres seien an den Grenzen zu beiden Ländern 600 Tonnen an illegal importierten Brennstoffen beschlagnahmt worden.

Gleichzeitig mit seiner Warnung an Moskau versuchte Erdoğan am Freitag aber auch, vorsichtig auf die Russen zuzugehen. Er werde sich am 30. November am Rande des Weltklimagipfels in Paris mit dem russischen Präsidenten zusammensetzen, gab er bekannt. Doch Moskau wies dieses Ansinnen zurück: Solange sich die Türkei nicht für den Abschuss des russischen Su-24-Bombers im türkisch-syrischen Grenzgebiet entschuldige, werde Putin keinen Kontakt zu Erdoğan aufnehmen.

Der militärische Zwischenfall am Dienstag war der Auslöser für die jüngste türkisch-russische Krise. Russland kündigte zudem gestern an, als Strafmaßnahme die Visumpflicht für türkische Staatsbürger mit 1. Jänner wieder einzuführen.

Polizei verhaftet Chefredakteur

Die Spannungen zwischen der Türkei und Russland werden wohl auch beim Gipfel der EU mit der Türkei am Sonntag in Brüssel zur Sprache kommen – ebenso wie die jüngsten harschen Maßnahmen der türkischen Behörden gegen Medien. Eine Kommissionssprecherin in Brüssel sagte am Freitag, die EU verfolge die „besorgniserregende Entwicklung“ in der Türkei sehr genau.

Zuvor waren Can Dündar, Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“, sowie Erdem Gül, der Leiter des Hauptstadtbüros des Blattes, wegen angeblichen Geheimnisverrats in Untersuchungshaft gesteckt worden.

„Cumhuriyet“ hatte Fotos mutmaßlicher Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MIT an syrische Rebellen veröffentlicht. Präsident Erdoğan persönlich brachte daraufhin eine Strafanzeige ein. Inzwischen hat Erdoğan angedeutet, dass es sich bei der MIT-Lieferung tatsächlich um Waffen gehandelt haben könnte. Die linke prokurdische Partei HDP warf der Regierung vor, sie wolle mit dem Vorgehen gegen die Journalisten eine Diskussion über die Militärhilfe für Rebellen verhindern.

Die EU hatte erst vor Kurzem einen wachsenden Druck auf die Medien in der Türkei beklagt. Auf dem Pressefreiheitsindex der Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen liegt der EU-Beitrittsbewerber auf Platz 149 von 180 Ländern.

Der Parlamentsabgeordnete Kürkçü sagte der „Presse“, die EU solle beim Gipfel in Brüssel auf die Durchsetzung ihrer eigenen Werte drängen. In der Türkei gebe es keine unabhängige Justiz mehr; vielmehr führten Richter und Staatsanwälte die Befehle von Regierung und Präsident aus. Wie sehr die Vertreter der EU-Staaten den türkischen Ministerpräsidenten, Ahmet Davutoğlu, am Sonntag ins Gebet nehmen werden, ist aber offen. EU und Türkei verhandeln seit Monaten über einen Plan, mit dem die Zahl der in Europa ankommenden syrischen Flüchtlinge gesenkt werden soll. Ohne Mithilfe der Türkei ist dieses Ziel nicht zu erreichen.

Türkei soll Kontrollen verstärken

Auf Wunsch der EU soll die Türkei ihre Grenzkontrollen verstärken und alle Flüchtlinge zurücknehmen, die über ihr Territorium nach Europa gelangen. Laut türkischen Medien soll die Türkei einen entsprechenden Vertrag ab Juni umsetzen. Im Oktober soll die EU im Gegenzug den Visumzwang für Türken bei Reisen nach Europa abschaffen. Zudem erhält die Türkei eine Finanzhilfe von mindestens drei Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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