Flüchtlingsdrama: Kubanische Odyssee durch Mittelamerika

A Cuban migrant shaves his beard as others freshen up after they crossed the border from Colombia through the jungle into La Miel, in the province of Guna Yala, Panama
A Cuban migrant shaves his beard as others freshen up after they crossed the border from Colombia through the jungle into La Miel, in the province of Guna Yala, Panama(c) REUTERS (CARLOS JASSO)
  • Drucken

Tausende Kubaner sind an der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua gestrandet. Sie wollen noch schnell in die USA, ehe Washington Privilegien streicht.

Buenos Aires. Diese Szene wirkt wie aus einem der Länder auf dem Balkan: Tausende Menschen sitzen an einem Grenzübergang fest, ihnen gegenüber stehen Soldaten, die sie nicht weiterlassen. Doch es gibt zwei Unterschiede zu Mazedonien oder Griechenland. Hier ist es Anfang Dezember noch 35 Grad heiß und Flüchtlinge sowie Uniformierte sprechen Spanisch, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten.

Der Übergang Peñas Blancas zwischen Costa Rica und Nicaragua wird derzeit zu einem der Nadelöhre des Kontinents. Die Menschen, die hier auf einem Weg in eine bessere Zukunft festsitzen, möchten weiter in das Land ihrer Sehnsüchte, die USA. So weit die Parallele mit dem Geschehen in Europa. Doch anders als Syrer, Iraker, Afghanen oder Somalier fliehen die Kubaner nicht vor Krieg und Verwüstung, sondern vor der Gefahr, dass die vor bald einem Jahr begonnene Annäherung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten fortschreitet.

Angst um das einzige Privileg

Das, so befürchten diese Menschen, könnte sie des einzigen Privilegs berauben, das die verarmten Bewohner der Castro-Insel bis heute genießen: Seit 1996 gewähren die USA Kuba-Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis. Nach nur einem Jahr bekommen sie die permanente Aufenthaltsgenehmigung – anders als Millionen andere Latinos, die teilweise seit Jahrzehnten illegal in den USA leben und werken, ohne Rechte, Sozialversicherung und die Möglichkeit, ihre Familien daheim zu besuchen.

Der Cuban Adjustment Act, ursprünglich ersonnen, um der kommunistischen Regierung in Havanna zu schaden, gilt zwar noch immer. Aber auf der Insel hat sich die Befürchtung durchgesetzt, dass Washington im Rahmen der neuen US-kubanischen Freundschaft dieses Gesetz bald aufheben könnte. Darum haben viele Kubaner in den vergangenen Monaten all ihre Habe verkauft, um eine Odyssee durch acht Länder zu finanzieren, die Monate dauern kann. Etwa 5000 Dollar geben die Menschen laut Medienberichten für Schlepper und Flüge aus.

Umweg ins Gelobte Land

(C) DiePresse

Nur 150 Kilometer trennen Kuba von den Florida Keys, doch Kubaner, die in das gelobte Land im Norden gelangen wollen, müssen einen Umweg machen, der sie fast an den Pazifik führt. Ecuador, das einzige Land, das bisher kein Visum von ihnen gefordert hatte, schob den Kubanern nun jedoch auch einen Riegel vor. Gestern führte das Land ein Visum für Kubaner ein. Havanna verhängt demnächst wiederum Reiserestriktionen für Ärzte.Von Quito und Guayaquil hatten die Kubaner zuvor die rund 8000 Kilometer lange Landroute über Kolumbien, Panama und die zentralamerikanische Landbrücke genommen, um via Mexiko in die USA zu kommen. Dass die Menschen diesen Umweg machen, hat zwei Gründe: Eine Flucht per Boot ist erstens noch gefährlicher und zweitens ziemlich aussichtslos, denn die US-Küstenwache überwacht ihre Gewässer. Außerdem hat das Gesetz von 1996 einen Haken: Es gilt nur für Migranten, die trockenen Fußes in den USA registriert werden. Wer auf dem Meer aufgebracht wird, muss wieder heim.

Die Zunahme der Flüchtlingszahlen haben alle Staaten der Region registriert. In Costa Rica hat sich die Zahl der Kubaner ohne Visum heuer verfünffacht – auf mehr als 12.000. In der Gewissheit, dass die Gäste aus der Karibik so schnell wie möglich weiterreisen, haben die zentralamerikanischen Staaten den Kubanern bisher „humanitäre Visa“ ausgestellt oder sie glatt durchgewinkt. Aber seit zwei Wochen stellt sich Nicaraguas Präsident Daniel Ortega quer.

Der Sandinistenführer, ein enger Verbündeter der Castros, hat die Grenze geschlossen, Polizei und Militärs stellen sich den zunehmend verzweifelten Kubanern entgegen. Nun hat Costa Rica ein ähnliches Problem wie Griechenland nach der Schließung der mazedonischen Grenze.

Die Menschen in Peñas Blancas schlafen nun in Notcamps oder auf Pappkartons und verlassen ihren Platz nicht. Womöglich gehen die Balken ja doch kurz hoch, wenn der Druck noch weiter steigt. Viele werden die Bilder aus Budapest vor Augen haben. Eine mittelamerikanische Lösung aber ist vorerst nicht in Sicht, vorige Woche scheiterte eine Konferenz in El Salvador. Den Schlüssel zur Lösung dieses Problems haben die USA – indem sie die Vorzugsbehandlung für Kubaner abschaffen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.