Ungarn klagt gegen die EU-Flüchtlingsquote

Orban und Juncker verfolgen nicht nur in der Flüchtlingsfage gegensätzliche Ziele - ein Bild von der Westbalkankonferenz Ende Oktober 2015.
Orban und Juncker verfolgen nicht nur in der Flüchtlingsfage gegensätzliche Ziele - ein Bild von der Westbalkankonferenz Ende Oktober 2015.(c) APA/EPA/STEPHANIE LECOCQ
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"Täglich wird uns Erpressung und Rache zuteil", sagt Ministerpräsident Orban. Für EU-Mandatar Karas kommt die Klage beim EuGH einem Austrittsantrag gleich.

Einen Tag nach der Slowakei hat auch Ungarn beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die von der EU beschlossene Flüchtlingsverteilung geklagt. "Die Klage wurde eingereicht", sagte der Sprecher des Justizministeriums, Gabor Kaleta, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte den Schritt zuvor angekündigt.

"Es genügt nicht zu protestieren, es muss gehandelt werden", sagte Orban vor Vertretern der Auslandsungarn. Die EU-Innenminister hatten am 22. September die Umverteilung von 120.000 Asylbewerbern in Europa beschlossen. Demnach sollen Ungarn und die Slowakei jeweils rund 2.300 Flüchtlinge aufnehmen. Die Entscheidung fiel in einer Mehrheitsentscheidung gegen den Widerstand der Slowakei, Tschechiens, Ungarns und Rumäniens. Die Slowakei hat bereits am Mittwoch Klage gegen die EU-Quotenregelung eingereicht. Tschechien und Rumänien protestierten zwar gegen die Entscheidung, wollen aber nicht klagen.

"Tägliche Erpressung"

"Täglich wird uns Erpressung und Rache (Brüssels) zuteil", klagte Orban am Donnerstag. Die EU räche sich mit mehreren Verfahren gegen Ungarn, weil Budapest "es gewagt hat, sich gegen die Einwanderungspolitik Brüssels zu wenden". Zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei habe Ungarn bewiesen, dass "wir die Migrantenflut stoppen können, wenn wir wollen".

Ungarn macht seit Monaten Stimmung gegen Flüchtlinge und hat deren Zustrom nach Ungarn durch Grenzzäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien fast gänzlich gestoppt. Mit ihrer Flüchtlingspolitik schwäche die EU die Nationen Europas. Dabei würden Menschenrechtler mit Schleppern in einer "bizarren Koalition" zusammenarbeiten, unterstützt von EU-Politikern, sagte Orban. Ohnehin arbeite Brüssel seit langen am Abbau der Nationalstaaten, zumal das Christentum als Fundament aus der EU-Verfassung gestrichen worden sei und die Mitgliedsstaaten immer mehr souveräne Rechte an die EU abgeben müssten.

Am Donnerstag startete die ungarische Regierung eine groß angelegte Medienkampagne gegen die Flüchtlingsquote. In den überregionalen Tageszeitungen erschienen ganzseitige Anzeigen, in denen auf schwarzem Hintergrund stand: "Die Quote erhöht die Terrorbedrohung." Auch in anderen Kampagnen wurden Flüchtlinge als Bedrohung der inneren Sicherheit dargestellt: "Wir wissen nicht, wer sie sind und was ihre Absichten sind", hieß es, "Wir wissen nicht, wie viele versteckte Terroristen unter ihnen sind" oder "In Europa trifft durchschnittlich alle zwölf Minuten ein illegaler Einwanderer ein".

Heftige Kritik an der Klage der slowakischen und ungarischen Regierung kam am Donnerstag von dem österreichischen EU-Abgeordneten Othmar Karas (ÖVP). "Solche Klagen kommen Austrittsanträgen gleich. Sie richten sich gegen die Idee Europas und das europäische Projekt", so Karas in einer Aussendung und forderte Reaktionen der europäischen Institutionen und Europäischen Parteien.

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(APA/AFP/dpa)

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