Bomben auf Krankenhäuser: "Aufschrei wird leiser"

A doctor accompanied by a nurse inspect a crater caused by what activists said were barrel bombs dropped by forces loyal to Syria's President Bashar al-Assad on a hospital in the city of Nawa, in Deraa province
A doctor accompanied by a nurse inspect a crater caused by what activists said were barrel bombs dropped by forces loyal to Syria's President Bashar al-Assad on a hospital in the city of Nawa, in Deraa provinceREUTERS
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Franz Luef von "Ärzte ohne Grenzen" kritisiert die wachsende Zahl von Attacken auf Gesundheitszentren in Kriegsgebieten.

Wien. Sie versuchen, mit allen Parteien im Kampfgebiet in Kontakt zu treten, um Verletzte so gut wie möglich versorgen zu können. Trotzdem werden die Helfer von Ärzte ohne Grenzen (MSF) immer häufiger Ziel von Attacken. Obwohl MSF der von Saudiarabien geführten Koalition die GPS-Daten der Klinik in der jemenitischen Stadt Taiz übermittelt hatte, wurde das Krankenhaus nun bei einem Luftangriff getroffen. Nur tags zuvor fielen in Syrien Bomben auf ein Spital nahe der Stadt Homs. Und bereits vor zwei Monaten starben bei einer Attacke auf ein von MSF geführtes Krankenhaus im afghanischen Kunduz mindestens 30 Menschen – Patienten und Mitarbeiter von MSF.

„Wir beobachten mit Sorge, wie die Zahl der Angriffe auf Spitäler, auch auf MSF und von MSF unterstützte Gesundheitsstrukturen zugenommen hat“, sagt Franz Luef von Ärzte ohne Grenzen. Schon in den vergangenen Jahren habe es derartige Attacken gegeben. „Der Aufschrei der internationalen Gesellschaft scheint ob dieser Verletzung internationalen Rechts aber im leiser zu werden“, kritisiert Luef. Er fordert, dass der neutrale Status von Spitälern wieder respektiert wird. Luef hat für MSF in Syrien und im Jemen gearbeitet und weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, als unparteiischer Helfer anerkannt zu werden. „Wir hatten in Kunduz mit allen Gruppen verhandelt, um den Menschen dort helfen zu können. Und alle – die USA, die afghanische Regierung und auch die Taliban – haben zugesichert, uns als neutrale Institution zu akzeptieren.“

MSF will unabhängige Untersuchung

Trotzdem flogen die US-Streitkräfte den massiven Angriff auf das MSF-Spital. Das sei aufgrund „menschlichen Versagens“ und einer Verkettung unglücklicher Umstände geschehen, heißt es in einem Bericht, den das US-Militär nun vorgelegt hat. Für Luef reicht das nicht aus. „Wir fordern eine unabhängige Untersuchung. Wir wollen genau sehen, was falsch gelaufen ist.“

Vor der Attacke auf das Spital hatte die Extremistenorganisation Taliban versucht, Kunduz zu erobern. Regierungstruppen gingen daraufhin mit US-Hilfe gegen die Taliban vor. „Wir hatten die Koordinaten des Krankenhauses an alle Streitparteien übermittelt. Trotzdem wurde es etwa eine Stunde lang aus der Luft angegriffen. Von zwei Uhr bis drei Uhr früh kam es zu mehreren gezielten Attacken auf das Hauptgebäude – dort, wo sich Chirurgie und Intensivstation befunden haben“, schildert Luef. Laut US-Untersuchungsbericht führte den Einsatz eine AC-130 durch, eine Hercules-Transportmaschine, von der aus mit Kanonen und schweren Maschinengewehren gefeuert wird.

Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich laut Luef 105 Patienten im Krankenhaus, darunter auch etwa vier verwundete Regierungssoldaten und einige verwundete Taliban. „Wir nehmen alle als Patienten auf. Es ist aber absolut verboten, Waffen ins Spital zu bringen. Das wurde von allen akzeptiert“, berichtet der MSF-Mitarbeiter.

MSF bleibt weiterhin in Afghanistan. Das Spital in Kunduz ist aber verwüstet. „Mehrere 100.000 Menschen haben deshalb jetzt dort keinen Zugang mehr zu einem höher qualifizierten Traumazentrum.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)

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