Beim zweiten Durchlauf der Lokalwahlen erlangte der Front National keine Region. Die anderen Parteien konnten ihre Wähler besser mobilisieren als am ersten Wahltag.
Paris. Marine Le Pen hat ihr selbstgestecktes Ziel verfehlt: Der Front National konnte bei der zweiten Runde der Regionalwahl keine Region unter seine Kontrolle bringen. Laut der Nachrichtenagentur AFP werden die Sozialisten mindestens drei Regionen dominieren (Aquitaine, Bretagne und Midi-Pyrénées); die Konservativen und Zentrumsdemokraten mindestens fünf (Paca, Nord, Grand Est, Rhône-Alpes, Pays de la Loire). In den restlichen Regionen fand ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen Sozialisten und Konservativen statt. Am frühen Abend waren die Resultate noch nicht verfügbar.
Bei der Regionalwahl ging es für Marine Le Pens Front National (FN) um mehr als nur um gutes Abschneiden. Der Urnengang war die letzte Hauptprobe vor der Präsidentschaftswahl von 2017, bei der sich Marine Le Pen aus der Sicht der Konservativen und Sozialisten nicht mehr mit der Rolle der Spielverderberin begnügen will.
Das vorläufige Fazit für Le Pen am gestrigen Sonntag: Sie konnte den FN als dritte Kraft in Frankreichs politischer Landschaft festigen; Regierungskompetenz wird ihr aber nur bedingt zugetraut. Die Partei hatte schon 2014 bei den Europawahlen mit mehr als einem Viertel der Stimmen Aufsehen erregt, dann im selben Jahr den Kommunalwahlen mehrere Städte unter ihre Kontrolle gebracht und diesen Vormarsch zur stimmenstärksten Einzelpartei Frankreichs im März dieses Jahres bestätigt, als ihre Listen in 71 von hundert Départements bei den Nachwahlen im ersten Durchgang in Führung lagen. Im ersten Durchgang der Regionalwahl vor einer Woche hatte der FN mit einem landesweiten Durchschnitt von 28 Prozent und Spitzenergebnissen von mehr als 40 Prozent in Nordfrankreich und im Südosten nochmals zugelegt.
Wirtschaftsförderung und Kultur
Die französischen Regionen wurden in einer Gebietsreform von 21 auf 13 verringert. Trotz ihrer beschränkten Kompetenz spielen die französischen Regionen in der Berufsbildung, für die Kultur und vor allem für die Wirtschaftsförderung eine bedeutende Rolle. Das Image einer Region kann darüber entscheiden, ob sich eine ausländische Firma niederlassen wird oder nicht.
Aber auch Konservative Die Hauptstadtregion ?le-de-France gilt von der Bevölkerung und der Zahl der Arbeitsplätze her als größte Region in Europa. Sie war bisher fest in der Hand der Sozialisten, die im Pariser Rathaus auch die Hauptstadt regieren. Dieses Mal wollte sich die Liste der Konservativen und Zentrumsdemokraten die Gelegenheit zur Rückeroberung der früheren Bastion des Gaullisten Jacques Chirac nicht entgehen lassen.
In den Regionen Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côte d'Azur hatten schließlich die Sozialisten ihre Listen zugunsten der bürgerlichen Gegner zurückgezogen. Im Nordosten dagegen, in der Elsass-Lothringen-Champagne-Ardennen-Region weigerte sich der linke Spitzenkandidat, wie von der Parteizentrale verlangt, aus Angst vor einem drohenden Sieg der Rechten, das Handtuch zu werfen.
Wahlbeteiligung von bis zu 61 Prozent
Schon zu Mittag zeichnete sich gestern in allen Wahlbüros, und ganz speziell in den Regionen mit ungewissem Ausgang, eine weit höhere Wahlbeteiligung von bis zu 61 Prozent der Wahlberechtigten ab. Am ersten Wahltag war es vor allem dem Front National besser als den anderen Parteien gelungen, seine Sympathisanten zu mobilisieren. War diese massivere Wahlbeteiligung ein Erfolg der Gegenmobilisierung seiner Gegner? Hatte womöglich sogar der diplomatische Erfolg von Präsident François Hollande bei den Klimaverhandlungen einen Einfluss auf das innenpolitische Votum? Und wie stark hatte sich zudem die Angst nach den Terroranschlägen vom 13. November ausgewirkt? Diese Fragen können erst in den detaillierten Analysen der Schlussergebnisse beantwortet werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)