Spanien: Die Schlammschlacht der Parteibosse

Patrons have dinner as a TV set screens Spain´s PM and ruling People´s Party leader Rajoy speaking during a live televised debate with Socialist leader Sanchez at restaurant in Madrid
Patrons have dinner as a TV set screens Spain´s PM and ruling People´s Party leader Rajoy speaking during a live televised debate with Socialist leader Sanchez at restaurant in Madrid(c) REUTERS (SUSANA VERA)
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Premier Rajoy und sein Rivale, Sozialistenchef Pedro Sánchez, lieferten sich kurz vor der Parlamentswahl ein aggressives TV-Duell. Davon profitieren könnten die kleineren Parteien.

Madrid. Er meidet die Öffentlichkeit, liebt keine Debatten und gilt als langweiliger Redner. Und er hat sich den Ruf erworben, eher ein bürokratischer Technokrat statt ein charismatischer Landesvater zu sein. In seinen vier Jahren als Regierungschef Spaniens schaffte der konservative Mariano Rajoy es nicht, die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen. Bei der Parlamentswahl am 20. Dezember, bei der ihm hohe Verluste vorausgesagt werden, droht dem Premier nun die Abwahl.

Laut einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstitutes CIS ist der graubärtige Rajoy derzeit der unbeliebteste spanische Spitzenpolitiker. Der konservative Politiker ist demnach auch der unpopulärste Ministerpräsident Spaniens der vergangenen 40 Jahre. Noch schlimmer: Vier von fünf Spaniern haben laut den CIS-Meinungsforschern derzeit „kein oder wenig Vertrauen“ in den 60-jährigen Politveteranen.

„Armselig und niederträchtig“

Ein Grund ist vermutlich die strenge Sparkur, die Rajoy dem Euro-Krisenland verpasst hat, dessen marode Bankenbranche im Sommer 2012 mit 41 Milliarden Euro vom Rettungsschirm gestützt werden musste. Kürzungen in der Bildungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik brachten das Volk gegen Rajoy auf und sorgten für die Geburt von gleich zwei mächtigen Protestparteien: die linke Podemos (Wir können) und die liberale Ciudadanos (Die Bürger).

Dass Rajoy die Rache der öffentlichen Meinung fürchtet und sich nicht gern den Bürgern stellt, erleben die Spanier auch in der heftig tobenden Wahlschlacht dieser Tage. In den beiden wichtigsten TV-Debatten, in denen Spaniens bekannteste vier Spitzenpolitiker gegeneinander hätten antreten sollen, kniff Rajoy. Dort warteten neben dem Sozialisten Pedro Sánchez auch die neuen Politstars vergeblich auf den Premier: Pablo Iglesias, Anführer der linken Podemos. und Albert Rivera, Chef der liberalen Bürgerplattform Ciudadanos.

Doch dem großen Duell von Montagabend konnte der scheue Rajoy beim besten Willen nicht entfliehen: Da musste sich der Premierminister dem TV-Duell mit Pedro Sánchez, dem Chef der oppositionellen Sozialisten (PSOE), stellen. Pressekommentatoren verglichen die mit Spannung erwartete Debatte mit einer Schlammschlacht. Einen klaren Sieger gab es nicht.

Sánchez nutzte das Duell zu scharfen Angriffen auf den konservativen Regierungschef, dem er die Serie von Korruptionsskandalen in dessen Volkspartei (PP) vorhielt. „Der Ministerpräsident muss eine anständige Person sein – und Sie sind nicht anständig“, attackierte der Sozialistenchef den erst entgeisterten und dann wütenden Rajoy. Der Angegriffene wehrte sich mit hochrotem Gesicht gegen die „armseligen, niederträchtigen und schäbigen“ Vorwürfe und verwies darauf, dass er „nie vor ein Gericht geladen worden“ sei. Das stimmt, aber mehrere enge Parteifreunde Rajoys, für die er die Hand ins Feuer gelegt hatte, wurden angeklagt oder sitzen in Haft.

Rajoy versuchte, die Debatte auf die Wirtschaft zu lenken: „Als ich an die Regierung kam, haben jeden Tag 1500 Spanier ihren Job verloren. Jetzt finden täglich 1400 Spanier eine Arbeit“, attackierte der Premier die Strategie seines Kontrahenten und kündigte die Schaffung von zwei Millionen Arbeitsplätzen an.

Dieser Schachzug endete in einem heftigen Zahlenstreit, in dem einander beide vorwarfen, die Spanier mit falschen Zahlen zu belügen. Dabei versuchte Sánchez immer wieder, den Fokus auf die Korruptionsskandale der Konservativen zu lenken.

Knappes Rennen

Für Sánchez war die Debatte die letzte Chance, den Rückstand seiner Partei in der Wählergunst noch wettzumachen. Nach Umfragen kann die PSOE nur auf 20 bis 22 Prozent der Stimmen hoffen, die PP auf 25 Prozent. Von der TV-Schlammschlacht profitieren könnten indes die kleineren Parteien: Podemos kann mit 19 und Ciudadanos mit 18 Prozent rechnen. Die großen Parteien werden also wohl keine Alternative haben, als mit den beiden zu koalieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2015)

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