Luftangriff: Israel tötet Hisbollah-Führer in Syrien

Beim Luftangriff auf Hisbollah-Anführer Qantar wurde dessen Haus nahe Damaskus völlig zerstört.
Beim Luftangriff auf Hisbollah-Anführer Qantar wurde dessen Haus nahe Damaskus völlig zerstört.(c) REUTERS (OMAR SANADIKI)
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Eine Rakete zertrümmerte ein Haus bei Damaskus, in dem sich Samir Qantar aufhielt. 1979 hatte der Hisbollah-Mann eine israelische Familie ermordet. In Syrien rekrutierte er Kämpfer.

Jerusalem/Damaskus. Die Rakete verwandelte in der Nacht zum Sonntag das mehrstöckige Wohnhaus nahe Damaskus in eine Schutthalde: Dort hielt sich offenbar der ranghohe Hisbollah-Anführer Samir Qantar (53) auf. Das Mitglied der radikalen libanesischen Schiitenmiliz und sein Bruder sowie ein weiterer Helfer seien ums Leben gekommen, vermeldete die Hisbollah. Die Organisation machte Israel für den Angriff verantwortlich. Das Gebäude, in dem sich Qantar zum Zeitpunkt des Angriffs befand, wurde aus der Luft bombardiert.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana sprach von einem Terrorangriff und bezeichnete Qantar als Märtyrer. Die Hisbollah kämpft an der Seite des syrischen Regimes gegen Aufständische im Land. Der Hisbollah-Sender al-Manar warf syrischen Rebellengruppen vor, „mit Israel kooperiert und Qantars Aufenthaltsort verraten zu haben“.

„Gerechtigkeit hergestellt“

Israels Regierung hingegen begrüßte Qantars Tod. Justizministerin Ayelet Shaked zeigte sich „glücklich über die Nachricht“, äußerte sich aber nicht dazu, ob Israel den Angriff geflogen hatte. Erleichtert äußerten sich auch Angehörige von Qantars Opfern. „Damit ist Gerechtigkeit hergestellt worden“, hieß es. In Israel erinnert man sich noch genau an den grausamen Angriff des Terroristen auf die Familie Haran in Naharija am 23. April 1979: Damals führte der noch minderjährige Qantar ein propalästinensisches Terrorkommando an, dessen Ziel es war, gegen das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten zu protestieren: „Ich werde die Freude und den Hass in ihren Stimmen nie vergessen, als sie kamen, um uns zu jagen, Gewehrkugeln abschossen und Granaten warfen“, erinnert sich Smadar Haran an die schreckliche Nacht.

Die Polizei war den Terroristen schon auf der Spur, als die Extremisten in das Mehrfamilienhaus vordrangen, in dem die Harans damals wohnten. Zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter versteckte sich Haran in einem Stauraum im Schlafzimmer. Aus Angst, von dem Terrorkommando entdeckt werden zu können, hielt sie dem Kind den Mund zu und erstickte es versehentlich in ihrer Panik. Auf der Flucht vor der Polizei nahm Qantar den Ehemann Smadars, Dani Haran, und die vierjährige Tochter zur Geisel, um zurück zum Meer zu kommen, wo ein Schlauchboot bereitlag. Am Strand erschoss er den Vater vor den Augen des Mädchens, hielt ihm den Kopf unter Wasser, um sicherzustellen, dass er tot war und zerschmetterte dann den Kopf der Kleinen mit seinem Gewehrkolben. Zwei der Angreifer wurden noch während der Operation erschossen. Ein dritter kam im Rahmen eines Gefangenenaustauschs 1985 auf freien Fuß. Qantar blieb bis 2008 in israelischer Haft, dann kam auch er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Auf der Terrorliste der USA

Unmittelbar nach seiner Rückkehr in den Libanon schloss sich Qantar der Hisbollah an, obwohl er Druse war. In Syrien konzentrierte er sich hauptsächlich darauf, neue Kämpfer zu mobilisieren, vor allem unter den Drusen auf dem Golan.

Erst im September hatten die USA Qantar auf ihre Terrorliste gesetzt. Nach Angaben der Regierung in Washington hatte Qantar in den vergangenen Jahren beim Aufbau einer Infrastruktur für die Hisbollah auf den Golanhöhen eine wichtige Rolle gespielt. (kna, ag.)

Zur Person

Samir Qantar führte 1979 ein pro-palästinensisches Terrorkommando an und überfiel ein Haus von Israelis. Mehrere Zivilisten kamen dabei ums Leben. In Israel wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Er saß im Gefängnis, bis er 2008 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen wurde. Qantar lebte dann in Syrien, zuletzt rekrutierte er dort Kämpfer für die Hisbollah. Im September setzten ihn die USA auf ihre Terrorliste. Jetzt starb Samir Qantar bei einem israelischen Luftangriff nahe Damaskus. [ Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2015)

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