Kroatien: Manager soll Regierung anführen

HDZ-Chef Tomislav Karamarko verzichtete zu Gunsten einer Koalition auf den Posten des Regierungschefs.
HDZ-Chef Tomislav Karamarko verzichtete zu Gunsten einer Koalition auf den Posten des Regierungschefs.REUTERS
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Der turbulente Koalitionspoker hat ein Ende. Die konservative HDZ und die Protestpartei Most einigten sich auf den parteilosen Tihomir Orešković als neuen Regierungschef.

Belgrad/Zagreb. Über sechs Wochen währte in Kroatien das chaotische Tauziehen um eine neue Regierung. Nach wochenlangem Wirrwarr verständigten sich die konservative HDZ und die eher wirtschaftsliberale Most kurz vor Weihnachten schließlich innert weniger Stunden im Schweinsgalopp auf einen neuen Regierungschef: Sofern die der HDZ nahestehende Staatschefin, Kolinda Grabar-Kitarović, ihm wie erwartet den Regierungsauftrag erteilt, soll der parteilose Manager Tihomir Orešković als Kabinettschef einer neuen Mitte-Rechts-Koalition bei dem EU-Neuling künftig die Regierungsgeschäfte führen.
Der 1966 in Zagreb geborene Orešković hatte nach seinem Chemiestudium in Kanada seine Berufskarriere bei dem kanadischen Pharmakonzern Eli Lilly begonnen. Erst im Jahr 2009 kehrte er als Finanzdirektor des kroatischen Pharmakonzerns Pliva in die Heimat zurück, den er einige Jahre auch als Vorstandschef leitete. Der von Most vorgeschlagene, aber der breiten Öffentlichkeit eher unbekannte Orešković sei ein Spitzenprofi, versicherte am Mittwoch HDZ-Chef Tomislav Karamarko: „Wichtig ist Fachkenntnis. Wir haben einen Weg der Reformen – und keine Zeit für schlechte Experimente.“

Hektische Konsultationen

Vor seiner Nominierung waren am Mittwoch wiederum hektische Verhandlungen und heftige Vorwürfe Trumpf: Nach erneuten Konsultationen mit den Parteien (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) wollte Präsidentin Grabar-Kitarović bis Mittwochabend über die Vergabe eines Regierungsauftrags an die neue künftige Koalition der HDZ und der Most entscheiden. Zuvor hatte die Präsidentin sogar mit Neuwahlen gedroht. Freilich hätten diese vermutlich zu einem ähnlichen Ergebnis geführt wie schon der Urnengang im November.
Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Monat hatte keines der Wahlbündnisse der beiden großen Volksparteien, der konservativen HDZ und der sozialdemokratischen SDP, eine klare Mehrheit erhalten. Zu den Königsmachern mutierte als drittstärkste Kraft die eher wirtschaftsliberale Most („Brücke“).

Vor der Wahl hatte der Parteineuling noch jede Koalition mit einer der Großparteien ausgeschlossen. Nach dem Urnengang bemühten sich die selbsternannten Brückenbauer zunächst vergeblich, die beiden unwilligen Großparteien in eine gemeinsame Koalition zu zwingen. Danach schlingerte die wenig homogene Most ebenso heftig wie unentschlossen zwischen einem Bündnis mit der rechten HDZ und der linken SDP hin und her. Von dem wochenlangen Lavieren zeigte sich nicht nur die Konkurrenz und die heimische Öffentlichkeit, sondern auch der eigene Anhang zunehmend genervt: Vier von ursprünglich 19 Abgeordneten haben die Partei bereits verlassen. Am Mittwoch warf mit Branimir Karačić ein weiteres Vorstandsmitglied das Handtuch.

Bündnis doch aufgelöst

Nach mehreren Kehrtwenden hatte Most-Chef Božo Petrov am Dienstag völlig überraschend ein bereits unter Dach und Fach geglaubtes Bündnis mit der bisher regierenden SDP von Noch-Premier Zoran Milanović aufgekündigt. Seine Begründung: Die SDP habe versucht, eine namentlich nicht genannte Most-Abgeordnete abzuwerben.

Der verbitterte SDP-Chef wies den Vorwurf der versuchten Abwerbung gestern erneut zurück. Druck von Seiten der SDP auf Most-Abgeordnete habe es nicht gegeben, so der ausgebremste Sozialdemokrat, der hinter dem Most-Rückzieher ein abgekartetes Spiel der HDZ und einflussreicher Kirchenfürsten vermutet: „Mir ist immer weniger klar, was Most eigentlich ist und wer Druck auf sie ausübt, was sich hinter den Kulissen wirklich abspielt.“ Selbst wenn der Verhandlungsmarathon vorbei ist: Angesichts von Kroatiens zerstrittener Politszene kommen auf Orešković harte Zeiten zu.

AUF EINEN BLICK

Die HDZ und „Most“ haben sich auf eine Koalition sowie einen unabhängigen Premier geeinigt: Der Manager Tihomir Orešković wurde 1966 in Zagreb geboren und hat in Kanada Chemie studiert. 2009 kehrte er als Direktor eines Pharmakonzerns nach Kroatien zurück. Präsidentin Grabar-Kitarović hatte mit Neuwahlen gedroht, sollten sich die Parteien nicht einig werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)

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