Kuba-Flüchtlinge: Per Luftbrücke und Bus ins Dorado

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Nach päpstlichem Appell zeichnet sich mit einem Pilotprojekt eine Lösung für die tausenden in Costa Rica gestrandeten Flüchtlinge von der Zuckerinsel ab.

Wien/Havanna. In Lateinamerika hat das Wort des argentinischen Papstes noch ganz besonderes Gewicht. Keine 48 Stunden nach dem Appell von Franziskus, eine Lösung für das humanitäre Drama der tausenden in Mittelamerika gestrandeten kubanischen Flüchtlinge zu finden, ließen sich die Diplomaten nach wochenlangem Gezerre und Geschiebe erweichen. Der Papst hatte schließlich den Prozess der Aussöhnung zwischen den USA und Kuba mit einer Geheimdiplomatie eingeleitet, und im September stattete er der Insel einen dreitägigen Besuch ab.

Nachdem mehrere Versuche fehlgeschlagen waren, einigten sich die Außenminister der Region bei einer Konferenz in Guatemala auf einen Ausweg aus der ureigenen Flüchtlingskrise – ein Pilotprojekt, das zunächst 250 Flüchtlingen die Ausreise erlaubt. Per Luftbrücke soll es im Jänner erst nach El Salvador gehen, schließlich mit dem Bus durch Mexiko bis an die US-Grenze, dem Dorado, wo sie automatisch Asyl erhalten.

Nicaragua machte Grenzen dicht

Seit Nicaragua im November die Grenzbalken schloss und die Grenzpolizei die Migranten mit Warnschüssen und Tränengas zurücktrieb, bildet sich in Costa Rica und Panama ein Rückstau. In Costa Rica, dem Grenzort Peñas Blancas und der Hauptstadt San José, sitzen rund 8000 Kubaner auf ihrer Odyssee in die USA fest – in Kirchen, Notunterkünften, Verschlägen oder teils sogar im Freien. Aus Protest blockierten sie Grenzübergänge.

Costa Rica pochte seither vergeblich auf einen humanitären Korridor, stieß aber bei Daniel Ortega, dem mit autokratischen Allüren regierenden Präsidenten Nicaraguas, auf taube Ohren. Der sandinistische Ex-Revolutionär ist gut Freund mit den Castro-Brüdern, und der politische Gefallen, den er ihnen so erweist, erscheint ihm – zumal vor einem Wahljahr in Nicaragua – nur opportun.

Kuba lässt derweil nichts unversucht, den Exodus von der Karibikinsel zu stoppen. Im Dezember führte Ecuador auf Drängen Havannas wieder ein Visum für Kubaner ein. Vor der ecuadorianischen Botschaft machte sich prompt der Unmut Hunderter Luft. Es war bisher ihr Schlupfloch in die Freiheit. Sie hatten vielfach ihre Habseligkeiten – Kühlschrank oder Fernseher – verkauft, um das Flugticket nach Ecuador zu finanzieren und die Reise auf dem Landweg durch Kolumbien, Mittelamerika und Mexiko in die USA.

Exodus der Ärzte

Seit der vor einem Jahr vollzogenen Annäherung zwischen den USA und Kuba, den Erzrivalen des Kalten Kriegs, fürchten viele Kubaner, sie könnten ihren Sonderstatus und ihre Privilegien verlieren. Wer trockenen Fußes die USA erreicht, so besagt es ein Gesetz aus dem Jahr 1966, dem gewährt Washington gänzlich unbürokratisch das Aufenthaltsrecht. Bootsflüchtlinge, die die US-Küstenwache auf dem offenen Meer aufgreift, schickt sie indessen umgehend nach Kuba zurück – heuer waren dies mehr als 5000.

Fast 50.000 Kubaner gelangten 2015 in die USA, doppelt so viele als noch im Vorjahr. Daneben sind ein paar tausend in Miami gelandet, mit einem Zwischenstopp auf den Bahamas oder den Cayman Islands, ausgestattet mit einem rechtmäßigen spanischen Pass, auf den sie aufgrund der Abstammung von spanischen Immigranten Anspruch haben.

Dass sich unter die Flüchtlinge auch vermehrt Ärzte mischen, tut Kuba besonders weh – es ist ein Schlag gegen die prestigeträchtige Gesundheitsvorsorge des Landes und den begehrtesten Exportartikel nach den exklusiven Zigarren. Gegen Öl und Devisen „verleiht“ Kuba in großem Stil Ärzte an Venezuela, Brasilien, Angola oder Katar. Angelockt von einer spezifischen Arbeitserlaubnis zieht es jährlich indes mehr als 1000 Ärzte in die USA, wo sie ein Vielfaches des ohnehin schon aufgestockten Monatslohns von 50 bis 70 Dollar auf Kuba verdienen. Das Regime in Havanna verhängte unlängst eigens restriktivere Ausreisebestimmungen für Ärzte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2015)

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