„Marco Rubio wird der Kandidat“

Presidential Candidate Marco Rubio Holds Town Halls With Trey Gowdy
Presidential Candidate Marco Rubio Holds Town Halls With Trey Gowdy(c) Bloomberg (Scott Morgan)
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Wahlforscher Henry Olsen erklärt, warum der junge Senator Favorit ist im republikanischen Feld und warum Trump und Jeb Bush verlieren werden.

Die Presse: Wer wird Ihrer Meinung nach der republikanische Präsidentschaftskandidat?

Henry Olsen: Marco Rubio, wenn er es schafft, seine Kampagne so fortzusetzen wie bisher. Denn die Staaten, die ihn wahrscheinlich unterstützen, wählen später, wenn es weniger Kandidaten gibt. Falls also Kandidaten wie Jeb Bush, John Kasich oder Chris Christie in New Hampshire verlieren und ausscheiden, würden ihre Anhänger sich Rubio anschließen. Diese Wähler gehören zu den moderaten und moderat-rechten Flügeln der Partei.

Jeb Bushs schwaches Auftreten überrascht viele Beobachter. Hat er noch Chancen?

Jeb Bush ist heuer de facto aus einem ein Jahrzehnt dauernden Schlaf erwacht und musste feststellen, dass sich das Land geändert hat. Er hat seit 1998, seit den Gouverneurswahlen in Florida, keinen echten Wahlkampf mehr geführt. Er hat seit 1994 keine parteiinterne Vorwahl überstehen müssen. Zudem hat sich Bush in diesem Jahrzehnt auch nicht an der parteiinternen Debatte beteiligt, etwa über „Obamacare“ oder das Defizit. Und er zeigt nicht jene Leidenschaft und jenes Verständnis für Themen, die den republikanischen Wählern wichtig sind.

Wie hat sich die republikanische Partei in dieser Zeit geändert?

Ein Gutteil ihrer Anhänger ist sehr zornig. Sie finden, dass die Parteiführung sie in den vergangenen 15 Jahren auf den Holzweg geführt hat. Der Umstand, dass sein Bruder George W. Bush während dieser Phase des angeblichen Betrugs die Partei führte, bedeutet, dass ein gutes Drittel der Partei nicht bereit ist, Jeb Bush überhaupt nur zuzuhören. Die Partei ist zudem südstaatlicher als früher. Bush kommt aus einem Südstaat, aber er hat keine Südstaaten-Persönlichkeit. Ihm fehlt dieses tiefe Gefühl ungerechter Behandlung, das aus dem Bürgerkrieg rührt. Ihm fehlt der kämpferische, populistische Stil, der Südstaaten-Politikern eigen ist. Und dass er zum Katholizismus konvertiert ist, bedeutet, dass ihm das Verständnis für den typisch südstaatlichen Protestantismus fehlt. Er redet kaum darüber, wie zentral Gott in seinem Leben ist. Aber diese Menschen wollen das hören.

Diese evangelikale Bewegung ist die kleinste der vier Strömungen der Partei. Man hat aber den Eindruck, sie zwinge den Kandidaten radikale Positionen auf, die verhindern, dass ein Republikaner Präsident wird.

Die Annahme dahinter ist, dass bis auf die Evangelikalen die große Mehrheit der Republikaner der Wirtschaftspolitik im Land zustimmt. Und das ist nicht der Fall. Die gemäßigten Republikaner sind ebenso wie die Wechselwähler gegen eine große Kürzung der Kapitalsteuer, wie sie das republikanische Establishment vorschlägt. Sie wollen nicht für so eine Steuersenkung zahlen müssen, indem man ihre Sozialleistungen und Pensionszahlungen kürzt – und genau so eine Reform schlägt Jeb Bush vor. Für sie vertreten die Unternehmenseliten der Partei eine Form der Selbstsucht, der sie nicht vertrauen. Das ist die Achillesferse der Partei. Die Vorstellung, dass man bloß die Evangelikalen hinausschmeißen müsste, um die Präsidentschaft zu gewinnen, ignoriert diesen Umstand.

Wenn jemand wie Donald Trump in den Umfragen führt: Was sagt das über die republikanische Partei?

Nichts, das man nicht auch über die Parteistrukturen in Europa sagen könnte, nämlich: Im 20. Jahrhundert verlief die politische Auseinandersetzung großteils entlang links und rechts und drehte sich um die Frage von Regierungseingriffen in die Wirtschaft und die Ausübung von Regierungsmacht. Im 21. Jahrhundert sehen wir eine politische Auseinandersetzung zwischen Insidern und Outsidern. Die gemäßigte Linke und Rechte in Amerika, Deutschland, Großbritannien und auch Österreich mit der Großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP haben miteinander mehr gemeinsam als mit den Parteien, die ideologisch betrachtet links und rechts von ihnen entstanden sind und sagen: Das System ist kaputt. Wenn man mit der ÖVP unzufrieden ist, muss man eine neue Partei gründen. In Amerika hingegen kann man wegen unseres offenen Vorwahlsystems feindliche Übernahmeversuche der bestehenden Parteistruktur starten.

Wird die Partei Trump überleben?

Man muss sich stets daran erinnern: Trump hat keine eigenen Kandidaten aufgestellt. Selbst wenn ihm die Präsidentschaftskandidatur gelänge, und selbst wenn er gewählt würde, gäbe es im Kongress keine Trumpisten. Er wäre also in einer extrem schwachen Position, um tatsächlich zu regieren. In dieser Hinsicht wird die Parteistruktur ihn problemlos überleben. Wenn wir nach den ersten Vorwahlen zu der typischen Situation kommen, dass zwei Kandidaten übrig bleiben und Trump einer davon ist, wird er verlieren. Knapp zwar, aber er wird verlieren. Das zeigen viele Umfragen, die genau dieses Szenario testen. Die Trump-Unterstützer sind jetzt hinter ihm vereint, seine Gegner aber auf mehrere Kandidaten verteilt: auf Christie, Kasich, Bush.

Könnte Hillary Clinton moderate Republikaner für sich gewinnen, falls Trump oder Ted Cruz zum Kandidaten nominiert werden?

Ich wäre extrem überrascht, wenn Trump oder Cruz zum Präsidenten gewählt würden. Beide erwecken starke Abneigungen bei den Menschen in der Mitte. Ich vermute, dass sie mit enormem Abstand verlieren würden.

Welche Gruppe in der Partei hält den Schlüssel für die Nominierung in Händen?

Die Schlüsselgruppe waren immer die moderaten Konservativen, und sie bewegen sich derzeit in großen Zahlen in Richtung Marco Rubio. Diese Leute wollen niedrigere Steuern, eine Beschränkung der Regierung, sie mögen traditionelle Werte und sind etwas offener für Einwanderung. Aber sie mögen auch die Bereitschaft zum Kompromiss, zum Regieren. Sie schätzen Stabilität. Diese Menschen mögen die Demokraten deshalb nicht, weil die Demokraten für sie radikalen Wandel repräsentieren. Dieselbe Art von Radikalismus sehen sie auch zu ihrer Rechten bei Leuten wie Ted Cruz, und darum lehnen sie ihn ebenfalls ab.

Welche der ersten drei Vorwahlen ist am wichtigsten?

Keine ist entscheidend für die Nominierung, denn jede bringt etwas anderes zum Ausdruck. Iowa wird von den sehr Rechten, von den Evangelikalen dominiert. Das Ergebnis hier wird der Nation zeigen: Das ist unser Kandidat. Aber viele Kandidaten haben bereits in Iowa gewonnen und im Bundesgebiet verloren. New Hampshire ist der moderate Staat. Wer hier gewinnt, signalisiert dem Rest des Landes, dass die Gemäßigten ihn gut finden. South Carolina ist der ausgewogenste der frühen Staaten und hat somit die stärkste prognostische Kraft. Diese Vorwahlen sind wichtig, um die Zahl der Kandidaten zu reduzieren, damit jeder der vier Flügel eine Vorstellung davon bekommt, auf wen sie setzen sollen.

ZUR PERSON

Henry Olsen ist Wahlforscher am Ethics and Public Policy Center in Washington, einem konservativen Forschungsinstitut. Er hat gemeinsam mit Dante Scala (University of New Hampshire) Detailergebnisse der jüngsten US-Präsidentenwahlen sowie umfassende Umfrageresultate untersucht und zu einer Typologie der republikanischen Partei verdichtet. [ EPCC ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2016)

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