Die beiden ungleichen Rivalen am Persischen Golf

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Saudiarabien hat dem zivilgesellschaftlichen Potenzial, das der Iran zur Verfügung hat, nur wenig entgegenzusetzen.

Es war einer der seltenen Momente, in denen US-Verteidigungsminister Ash Carter seinem Frust über die saudischen Verbündeten freien Lauf ließ. „Sie beklagen sich andauernd bei mir, wie fähig die Iraner sind“, sagte er vor dem Verteidigungsausschuss des US-Kongresses. „Ja, das stimmt, antworte ich ihnen stets, ihr spielt nicht in der gleichen Liga, was die Effizienz am Boden angeht.“ Wenn Saudiarabien und die Golfstaaten mehr Einfluss im Nahen Osten und mehr Sicherheit in ihrem Teil der Welt erreichen wollten, müssten sie mehr tun bei Bodentruppen und Spezialkräften. Das harte Urteil des Pentagonchefs über die Schlagkraft der saudischen Armee lässt sich auch auf viele andere Bereiche übertragen, in denen beide Regionalmächte wetteifern.

Auch die Zivilgesellschaft des Iran ist im Vergleich zu den arabischen Kontrahenten eine Klasse für sich. Egal, ob bei Bildung und Kultur, Literatur und Film, Wissenschaft und Universitäten, sozialem Engagement, Arbeitsmoral oder intellektueller Dynamik – bei der sogenannten Soft Power liegen Welten zwischen den Rivalen auf beiden Seiten des Golfs. Saudiarabien hat dem gesellschaftlichen und kulturellen Potenzial des Iran kaum etwas entgegenzusetzen. Und so verließ sich das Königreich jahrzehntelang darauf, dass der Westen den Iran in Schach hält und exzessive Waffenkäufe genügen, um sich als Regionalmacht zu behaupten – ein strategisches Kalkül, das nun erstmals seit der Khomeini-Revolution 1979 durch das bisher reibungslos umgesetzte Atomabkommen hinfällig wird.

Mehr als drei Jahrzehnte reicht der Kalte Krieg zurück zwischen dem saudischen Königreich und der Islamischen Republik Iran. Teheran fühlt sich als persisch-schiitische Schutzmacht in der Region, Saudiarabien als Hüter der heiligsten Stätten des Islam, Mekka und Medina, und damit als wichtigstes Zentrum des sunnitisch-arabischen Islam.

Finanzielle Hilfe für Saddam Hussein

Zu Zeiten des persischen Schahs kamen beide Seiten relativ gut miteinander aus. Die Monarchen einten das Misstrauen gegenüber dem arabischen Nationalismus des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und die Kritik an der Baath-Ideologie des irakischen Diktators Saddam Hussein. Nach dem Sturz des persischen Schahs Reza Pahlavi ging es rapide bergab. Bis heute ist in Teheran unvergessen, dass Saudiarabien im Ersten Golfkrieg von 1980 bis 1988 dem irakischen Diktator Saddam Hussein mit 25 Milliarden Dollar unter die Arme griff – ein Krieg, der mehr als eine halbe Million Iraner das Leben kostete. 2016 nun stehen die westlichen Investoren in Teheran wieder Schlange. Auch werden die bisher blockierten Öl- und Gasvorkommen des Iran die Abhängigkeit der Industrienationen von saudischer Energie verringern. Und so versucht Saudiarabiens neues Führungstrio aus König Salman und seinen beiden Kronprinzen, gegenüber dem bald von westlichen Sanktionsfesseln befreiten schiitischen Kontrahenten harte Pflöcke einzuschlagen – bisher mit geringem Erfolg und dem hohen Risiko, die ganze Region in einen schiitisch-sunnitischen Megakonflikt zu stürzen.

Prestigeverlust wegen IS

International büßten die saudischen Machthaber zuletzt an Prestige ein – unter anderem, weil die Jihadisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) rund um den Globus als blutrünstige Wiedergänger der saudisch-wahabitischen Schariamission verdächtigt werden. Nun droht nach der spektakulären Hinrichtung des Geistlichen Nimr al-Nimr auch unter den drei Millionen Schiiten in Saudiarabien neues Ungemach.

Und so wirkt der wütende Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Teheran 48 Stunden nach der saudischen Massenexekution eher wie ein Zeichen von Schwäche in Riad. Sollte die Entscheidung Bestand haben, wird sie die Konfrontation auf lange Sicht zementieren. Zweimal bereits – 1941 und 1987 – kappten die beiden Widersacher ihre diplomatischen Beziehungen. Jedes Mal dauerte die Reparatur vier Jahre.

AUF EINEN BLICK

Nach der Hinrichtung des prominenten schiitischen Predigers Scheich Nimr al-Nimr in Saudiarabien ist der Konflikt zwischen der saudischen Führung in Riad und dem iranischen Regime in Teheran eskaliert. Wütende Demonstranten setzten die saudische Botschaft in Teheran in Brand. Darauf brachen Saudiarabien und das mit ihm verbündete Golfemirat Bahrain die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Die jüngste Krise ist nur der Höhepunkt einer jahrelangen Rivalität zwischen Riad und Teheran um die Vormachtstellung in der Region. Die Saudis sind nun auch erbost darüber, dass nach dem Atomabkommen der Iran im Westen wieder hoffähig wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)

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