Eigentlich wollte die Führung in Peking Schützenhilfe für die Kuomintang leisten. Deren Umfragewerte sind indes eingebrochen. Die DDP geht eher auf Distanz.
Taipeh. Chinas Staatsmedien haben es als „Treffen von historischem Ausmaß“ bezeichnet. Zumindest für Taiwans Regierungspartei, die Kuomintang (KMT), ging der Schuss aber nach hinten los. Anfang November überraschten die Regierungen von Taiwan und der Volksrepublik die Welt mit der Nachricht, dass erstmals seit dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs vor 66 Jahren die Staatsoberhäupter der offiziell noch immer verfeindeten Staaten einander persönlich treffen würden. Dieses Treffen zwischen Chinas Staats- und KP-Chef, Xi Jinping, und Taiwans Präsidenten, Ma Ying-jeou, kam am 8. November in Singapur auch tatsächlich zustande.
Konkrete Ergebnisse gab es keine. Sie waren von beiden Seiten auch gar nicht vorgesehen. Das Manöver war dennoch leicht zu durchschauen. Angesichts der desaströsen Umfrageergebnisse der KMT wollten die kommunistischen Führer in Peking in der heißen Wahlkampfphase Schützenhilfe leisten. Denn die KP-Kader wissen: Mit einem Wahlsieg der DPP werden die Verhandlungen um eine Lösung des jahrzehntealten Konflikts schwieriger. Geholfen hat dieses Spitzentreffen der KMT nicht. Ihre Umfragewerte sind seitdem noch tiefer in den Keller gerutscht.
Auch DPP-Spitzenkandidatin Tsai hat zwar mehrfach versichert, dass sie im Fall ihres Wahlsiegs die Verhandlungen mit China fortführen werde, allerdings „im Einklang mit dem Willen des taiwanesischen Volkes“. Laut Umfragen wünschen sich 60 Prozent der Taiwanesen mehr Distanz zu China.
Aufrüstung gegen Taiwan
Für zusätzlichen Zündstoff mit Peking könnte die DPP-Führung sorgen, sollte sie – wie angekündigt – den Militäretat deutlich erhöhen, wie dies im Wahlprogramm steht. Wie Peking darauf reagieren dürfte, ist klar – mit einer Aufrüstung der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian. Schon jetzt sind Hunderte Raketen auf Taiwan gerichtet.
Auf Entspannung setzt Tsai hingegen in den Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer. Sie hat sich für eine diplomatische Lösung im Einklang mit dem UN-Seerechtsübereinkommen ausgesprochen. Für Peking stellt allerdings auch das einen Affront dar: Die KP-Führer haben in den vergangenen Monaten immer wieder Schiffe in die umstrittenen Gewässer geschickt, Kampfjets drüberfliegen lassen und damit bewusst in Kauf genommen, das Verhältnis zu Japan, den Philippinen und Vietnam massiv zu verschlechtern. Tsai wiederum hat angekündigt, dass sie die Beziehungen zu Japan und den USA intensivieren wolle.
Militärmanöver zur Einschüchterung, wie es sie etwa noch bei Taiwan-Wahlen in den 1990er-Jahren gegeben hat, sind diesmal aber ausgeblieben. Auf Taipehs Einkaufsstraßen geht es dieser Tage ruhiger zu. Und das ist unmittelbar auf eine Direktive aus Peking zurückzuführen. Die chinesische Führung hat es ihren Landsleuten untersagt, vor den Wahlen nach Taiwan zu reisen. Sie befürchtet, Festlandchinesen könnten sich vom Wahlkampf auf Taiwan beeinflussen lassen. (lee)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)