Atomdeal: IAEA gibt Grünes Licht für Ende der Iran-Sanktionen

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AUSTRIA-US-NUCLEAR-SANCTION-IRANAPA/AFP/POOL/KEVIN LAMARQUE
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Ein halbes Jahr nach dem Wiener Atomdeal hat die Internationale Atomenergiebehörde dem Iran bescheinigt, das Abkommen umgesetzt zu haben. Teheran freut sich auf Geld, die arabischen Nationen bleiben skeptisch.

Federica Mogherini wollte alles schon am Samstagvormittag über die Bühne bringen. Die EU-Außenbeauftragte hatte sich in Wien mit dem iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif getroffen, um den Endbericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu besprechen. Alle warteten nur noch auf die Verkündung, dass die Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben werden. Doch es dauerte zunächst. John Kerry durchkreuzte Mogherinis Plan, er wollte selbst dabei sein. Der US-Außenminister landete erst nach Mittag in Wien und eilte sogleich ins Palais Coburg zu Zarif. Zuvor hatte Kerry in London Vertreter Saudiarabiens getroffen, dabei dürfte der Deal mit dem Iran nicht nur ein Randgespräch gewesen sein.

Kurz vor zehn Uhr abends war dann aber alles klar: Die IAEA hat Grünes Licht für den Atomdeal mit dem Iran gegeben. Die Regierung in Teheran habe alle Auflagen erfüllt, teilte die IAEA am Samstag in Wien mit. Damit ist der Weg zur Aufhebung der internationalen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran frei. Zuvor hatte Frankreich dem Vernehmen nach technische Einwände gehabt und blockierte vorerst die Verkündung.

Dem isolierten Land steht eine neue Ära bevor: das Ende der internationalen Sanktionen. Iranische Diplomaten zeigten sich bereits vor der Berichtveröffentlichung zuversichtlich. Im November hat die Islamische Republik in den Urananreicherungsanlagen Natanz und Fordo Tausende Zentrifugen abgebaut. Vor einigen Tagen wurde schließlich der Nuklearkern des Schwerwasserreaktors in Arak ausgebaut, die Brennkammer mit Beton ausgefüllt und damit faktisch unbrauchbar gemacht. In den Wochen zuvor waren die nahezu kompletten Vorräte übergeben worden: Russland schickte ein Schiff in iranische Gewässer, um tonnenweise niedrig angereichertes Uran abzuholen. Moskau will das Material zu Brennstäben für den Reaktor in Bushehr verarbeiten. Der Restbestand auf iranischem Territorium soll 15 Jahre lang auf maximal 300 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent beschränkt bleiben.Damit lässt sich keine Atombombe basteln.

Wird der Atomdeal bereits seit Monaten als internationaler Durchbruch gefeiert, zeigt sich insbesondere die arabische Welt skeptisch, die über Teherans „Einmischungen“ klagt. Dem Iran stünde nach einer wirtschaftlichen Öffnung mehr Geld für militärische Aktionen zur Verfügung. Teheran zündelt derzeit nicht nur im Jemen, wo vermutlich die schiitischen Huthi-Rebellen unterstützt werden.

Gordischer Knoten

Als der iranische Präsident Hassan Rohani im Dezember angesichts dieser Fortschritte, von einem Ende der Sanktionen bis 22. Jänner sprach, war noch von übereiligem Optimismus die Rede. Nun kam selbst Brüssel diesem Termin zuvor: „Es ist alles vorbereitet, um die Sanktionen aufzuheben“, hieß es dort. In den kommenden Wochen und Monaten sollen auch weitere Sanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat und den Vereinigten Staaten verhängt wurden, außer Kraft gesetzt werden. Lediglich das UN-Waffenembargo bleibt weitere fünf Jahre in Kraft, das Embargo für Raketenteile noch acht Jahre.

In dem hochkomplexen und detaillierten Vertragswerk verpflichtet sich die Islamische Republik zudem, zwei Drittel ihrer 19.000 Uranzentrifugen abzubauen und unter die IAEO-Aufsicht zu stellen. Bis 2030 darf eine Anreicherung nur in Natanz stattfinden, nicht in der zweiten unterirdischen Anlage von Fodor, die zu einer Forschungseinrichtung umgebaut wird. Zudem erhält die IAEA für das nächste Vierteljahrhundert außerordentliche Kontrollrechte.

Vergangene Woche stimmte Rohani seine 78 Millionen Landsleute auf eine neue Phase der internationalen Beziehungen ein und stellte ihnen „ein Jahr mit wirtschaftlichem Wohlstand“ in Aussicht. Außenpolitik ist Innenpolitik, damit hat der gewiefte Geistliche bei seiner Wahl 2013 die absolute Mehrheit seiner Landsleute überzeugt. Er werde den Iran wieder zu einem respektierten Partner auf dem internationalen Parkett machen, versprach er und kündigte gleichzeitig an, die Willkürmacht der islamischen Staatsherrschaft durch eine Grundrechtecharta für alle Bürger zu begrenzen. Zwei Jahre lang hielten seine Anhänger still und ertrugen das Treiben der Hardliner, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den gordischen Knoten des Atomproblems durchschlagen muss. In dieser Zeit kletterte die Zahl der Hinrichtungen auf Rekordniveau. Politische Aktivisten wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, reihenweise Journalisten verhaftet sowie Frauen drangsaliert und diskriminiert. Seit einigen Wochen läuft eine massive Einschüchterungskampagne von Justiz und Revolutionären Garden gegen kritische Intellektuelle, Filmemacher, Künstler und Musiker, „um die revolutionären Prinzipien zu schützen“.

So wurde jüngst auf dem Teheraner Flughafen die Dichterin Hila Sedighi verhaftet, in einem Käfig zum Gefängnis gefahren und dort 48 Stunden lang wie ein Mörderin behandelt, wie sie auf ihrer Facebook-Seite berichtete. Zuvor waren die beiden Lyrikerinnen Fatemeh Ekhtesari und Mehdi Moosavi von einem Revolutionsgericht zu neun und elf Jahren Haft sowie jeweils 99 Peitschenhieben verurteilt worden.

Rohani und seine Mitstreiter indes hoffen, auch bei den Parlamentswahlen am 26. Februar die politische Ernte ihrer Entspannungspolitik einfahren und eine Mehrheit unter den 290 Angeordneten erreichen zu können. Denn die ausländischen Investoren geben sich mittlerweile in Teheran die Klinke in die Hand – allen voran Autohersteller und Pharmakonzerne. Als weltweit erstes Staatsoberhaupt reiste Bundespräsident Heinz Fischer in den Iran, später folgten Politiker wie der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, sowie Altkanzler Gerhard Schröder. „Deutsche Firmen und Geschäftsleute stehen bereit, sich auf allen wirtschaftlichen und industriellen Felder zu engagieren“, erklärte Schröder. Aber nicht nur die Deutschen – der Siemens-Konzern hofft etwa, eine 925 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstraße zwischen Teheran und der Pilgermetropole Maschad im Osten bauen und 500 Züge liefern zu können?– wittern Goldgräberstimmung. Die AUA hat angekündigt, ab Frühling direkte Flüge in den Iran anbieten zu wollen, über 300 österreichische Unternehmen sind im Iran tätig, darunter etwa der Lifthersteller Doppelmayr.

Gefangenenaustausch

Während des Gipfels am Samstagnachmittag wurde im Iran der amerikanisch-iranische Journalist Jason Rezaian („Washington Post“) nach Monaten der Gefangenschaft freigelassen – Teheran warf ihm Spionage vor. Neben Rezaian durften drei weitere US-iranische Häftlinge gehen, ein weiterer wurde offenbar unabhängig von den Verhandlungen freigelassen. Kerry handelte einen Gefangenenaustausch aus – noch ein Grund, warum er beim Treffen in Wien unbedingt dabei sein wollte. Ebenfalls am Samstag hat Washington sieben Iraner begnadigt und die Haftbefehle gegen 14 weitere zurückgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2016)

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