Massen-Entführung durch IS-Miliz in Syrien

Russische Hilfslieferung über Deir ez-Zor
Russische Hilfslieferung über Deir ez-ZorReuters
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Den zuletzt in Bedrängnis geratenen IS-Truppen ist es gelungen, einen Großteil der eingeschlossenen Stadt Deir ez-Zor zurückzuerobern. Dabei wurden Hunderte Zivilisten verschleppt.

Beirut. Ein Blutbad mit Hunderten Toten und eine Massenentführung. Das ist die Bilanz der jüngsten Offensive der Milizen der Jihadistengruppe Islamischer Staat in Syrien. In den vergangenen Tagen gelang es dem zunehmend in Bedrängnis geratenen IS, einen Großteil der strategisch wichtigen Stadt Deir ez-Zor in seine Gewalt zu bringen. Bei den schweren Kämpfen wurden laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana mindestens 300 Menschen getötet. Andere Quellen sprachen von 130 Toten, darunter mindestens 85 Zivilisten.

Die IS-Miliz entführte mindestens 400 Zivilisten. Unter ihnen seien auch Frauen und Kinder, erklärte der Leiter der in Großbritannien ansässigen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Sie seien aus dem Vorort Al-Baghaliyeh verschleppt und in die umliegenden vom IS kontrollierten Gebiete gebracht worden. Offensichtlich hatte die Miliz vor allem Familien von Kämpfern im Fokus, die aufseiten der syrischen Regierung stehen. Es bestehe die Gefahr, dass der IS wie in früheren Fällen auch diese Gefangenen hinrichten werde, erklärten Vertreter der Beobachtungsstelle, die sich auf ein umfangreiches Informantennetz vor Ort stützt. In ähnlicher Weise hatte die Miliz nach militärischen Erfolgen etwa in der Provinz Rakka 200 gefangen genommene Soldaten und 2014 in der Provinz Deir al-Sor Hunderte Mitglieder eines Stammes getötet.

Deir ez-Zor liegt rund 450 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Damaskus. Am Samstag war die IS-Miliz laut der Beobachtungsstelle in den Norden der Stadt vorgerückt. Bei den aktuellen Angriffen schickte der IS Regierungskreisen zufolge zunächst sechs mit Bomben bewaffnete Selbstmordattentäter vor und versuchte, Stellungen der Armee zu durchbrechen. Dies sei aber zuerst misslungen. Die Soldaten hätten die Angreifer zurückgeschlagen und eine große Anzahl von ihnen getötet. Reuters konnte die unterschiedlichen Berichte allerdings nicht unabhängig bestätigen.

Versorgungsengpässe

Mittlerweile dürften die Jihadisten rund 60 Prozent von Deir ez-Zor kontrollieren. Bereits in den vergangenen Wochen war es in der Stadt zu Versorgungsengpässen gekommen, da rund 250.000 Menschen zwischen den Fronten eingeschlossen waren. Die IS-Miliz verhinderte, dass Nahrung und Arzneien in das eingeschlossene Gebiet geliefert werden konnten. Zuletzt warfen deshalb russische Transportflugzeuge 22 Tonnen Lebensmittel und Medizin ab.

Am Sonntag wurde in Deir ez-Zor weitergekämpft. Wie die Beobachtungsstelle mitteilte, wurden die Regierungstruppen dabei von russischen Kampfflugzeugen unterstützt.

Bei Luftangriffen im Osten Syriens wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle unterdessen rund 40 Zivilisten getötet. Die IS-Hochburg Raqqa sei am Samstag bombardiert worden. Unklar ist, ob die Angriffe von der syrischen oder von der russischen Luftwaffe geflogen wurden. Unter den Toten seien auch acht Kinder. Schwere Kämpfe wurden zudem aus der nordsyrischen Provinz Aleppo gemeldet. Dort seien am Samstag mindestens 16 IS-Kämpfer getötet worden, als ihr Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe der Stadt Al-Bab abgewehrt wurde. (ag.)

AUF EINEN BLICK

Entführung. IS-Milizen haben am Wochenende Vororte der umkämpften Stadt Deir ez-Zor eingenommen und dabei Hunderte Geiseln genommen. Laut der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London seien zahlreiche Frauen und Kinder verschleppt worden. Es wird befürchtet, dass die Jihadisten ihre Geiseln töten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2016)

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