EU zeigt Israel (Siedlungs-)Grenzen auf

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Die Auseinandersetzung um Israels Siedlungspolitik gewinnt an Schärfe. Nach neuer Kritik aus Brüssel will Netanjahu Europa vom Friedensprozess fernhalten.

Jerusalem. Am Ende wurde die Erklärung der EU-Außenminister noch leicht verwässert. Griechenland hatte Vorbehalte. Auch Polen und Ungarn. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, soll selbst fünf EU-Außenminister kontaktiert haben. Die Botschaft der Erklärung vom Montagabend blieb freilich unmissverständlich.

Sie richtet sich gezielt gegen die vor allem von Israels rechtsnationalen Politikern vorangetriebene Strategie einer Verwischung der Grenze zwischen Israel und dem besetzten Gebiet. Die EU-Außenminister bekräftigen also, dass „sämtliche Abkommen zwischen dem Staat Israel und der EU“ nicht für Israelis in den besetzten Palästinensergebieten gelten.

Israels Siedlungspolitik steht in diesen Tagen international am Pranger. Es hagelt Kritik. Nicht nur aus Brüssel. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) knüpfte am Dienstag an die EU-Entscheidung vom November zur Kennzeichnungspflicht von Siedlungsprodukten an und appellierte an Firmen, keinerlei geschäftliche Beziehungen zu Siedlungen zu unterhalten. Auf 162 Seiten führt der Bericht die Mitschuld internationaler Unternehmen an den Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten aus. Geschäftsbeziehungen mit den Siedlungen würden unweigerlich die Politik Israels unterstützen, durch die Palästinenser enteignet und massiv diskriminiert werden, heißt es.

„Zweierlei Rechtsstandards“

Bereits am Vortag hatte Dan Shapiro, US-Botschafter in Tel Aviv, scharfe Kritik am israelischen Rechtssystem im Westjordanland verlauten lassen. Zu oft bleibe Gewalt von Juden unbestraft, sagte Shapiro im Verlauf einer vom Tel Aviver Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) organisierten Konferenz und protestierte gegen „zweierlei Rechtsstandards für Israelis und Palästinenser“. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, wehrte sich gegen „die Doppelmoral“, mit der Israel für den Kampf um die Sicherheit der israelischen Staatsbürger im Ausland verurteilt werde. Er warnte die EU vor ungerechter und einseitiger Kritik, die der Union „nicht helfen wird, Partner in den Diskussionen über den Nahen Osten zu sein“.

Saeb Erekat, Generaldirektor der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), gefiel die EU- Resolution naturgemäß. „Obschon wir glauben, dass Europa sofortige Maßnahmen einleiten sollte, „ist die Ratsentscheidung über den nahöstlichen Friedensprozess eine Botschaft an die israelische Regierung.“ Niemand werde „ein Apartheidsregime in Palästina“ anerkennen.

Die Geduld des Westens scheint angesichts der Eiszeit im Friedensprozess ausgereizt. Zwar wird in der Resolution die „Gewalt von allen Seiten“ verurteilt. Der Zorn trifft aber vor allem Israel: „Die Realisierbarkeit der Zweistaatenlösung“, heißt es in der EU-Erklärung, „werde permanent durch die Schaffung neuer Fakten untergraben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)

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