Ungarn: Genugtuung über Asylbremse

(c) APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
  • Drucken

Genüsslich beobachtet Budapest Österreichs Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik. Sie sei aber nicht stark genug, sagt Ungarns Regierung.

Budapest. „Besser spät als nie“: So reagierte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó etwas süffisant auf die angekündigten Verschärfungen in Österreichs Flüchtlingspolitik. Das Umdenken in Wien, den Flüchtlingszustrom nun scharf zu begrenzen, zeige, dass „nur der ungarische Weg gangbar ist“, hatte Szijjártó schon am Sonntag gesagt.

Derweil erklärte der Leiter des Ministerpräsidentenamtes, János Lázár, man werde auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit der slowenischen Führung am Freitag darüber sprechen, welche Auswirkungen die Wiener Entscheidungen auf Ungarn und Slowenien haben könnten. Der Gedanke liegt nahe, Migranten könnten bald über die kaum gesicherte slowenisch-ungarische Grenze gen Norden weiterziehen.

In Budapester Regierungskreisen, so berichtet ein Insider, macht sich klammheimliche Genugtuung über die Kurskorrektur in Wien breit: sozusagen ein spöttisches „Haben wir's euch nicht gesagt?“-Gefühl. Symbolisch dafür macht wieder der knappe Spruch von Ministerpräsident Viktor Orbán die Runde: „Na, ugye?“.

Das heißt so viel wie „Nicht wahr?“ oder „Seht ihr!“ und bezog sich, als er das im November auf Facebook postete, eigentlich auf Ungarns Einzug in die Fußball-Europameisterschaft. Orbáns Fußballleidenschaft, seine viel kritisierte Fußballakademie, der Bau neuer Stadien, all das schien plötzlich gerechtfertigt als etwas, das Ergebnisse bringt. „Na, ugye“ ist seither zum geflügelten Wort geworden, Kommentatoren greifen es auf, wann immer eine Entwicklung Orbán recht zu geben scheint.

Allerdings sei die Wiener Flüchtlingswende ungenügend, kritisierte auf Anfrage der „Presse“ Regierungssprecher Zoltán Kovács. Unverändert versuche Österreich, den Zustrom „zu managen, statt ihn zu stoppen“. Das eigentliche Problem könne – falls Griechenlands Unwilligkeit oder Unfähigkeit anhalte, seine Grenzen zu schützen – nur durch eine „Verteidigungslinie an der mazedonischen Grenze“ gelöst werden, so Kovács.

Ungarn hilft Mazedonien

Mazedoniens Regierung hat jedenfalls von Ungarn jede Menge Stacheldraht gekauft, um mithilfe ungarischer Maschinen und Spezialisten Grenzsperren zu errichten. Am Mittwoch, zeitgleich mit den Wiener Entscheidungen zur Reduzierung des Flüchtlingsstroms, hat Mazedonien seine Grenze zu Griechenland für Flüchtlinge geschlossen. Hunderte steckten auf der griechischen Seite fest. Am Donnerstag machten die Mazedonier die Tore wieder etwas auf – nun dürfen aber nur mehr Flüchtlinge durchreisen, deren Ziel dezidiert Österreich oder Deutschland ist, sagte ein Polizeivertreter. Auch lässt man weiterhin nur Syrer, Iraker und Afghanen durch.

Was die Kritik des ungarischen Regierungssprechers an der angeblich unveränderten Flüchtlingspolitik in Wien betrifft: Sie ist vielleicht gar nicht an die Adresse Österreichs gerichtet. „Wir sind mittlerweile dazu übergegangen, Österreich zu kritisieren, wenn wir Deutschland meinen“, sagt ein ungarischer Diplomat. Direkte Kritik an Berlin oder Kanzlerin Angela Merkel sei politisch zu kostspielig, daher spiele man über die Bande und sage „Wien“, wenn man „Berlin“ meine. Die deutsche Position scheint ja tatsächlich relativ „unverändert“ – darauf würde Kovács' Bemerkung tatsächlich hinweisen.

Rechtsextremer Applaus

Die sich selbst „radikal rechts“ nennende Jobbik-Partei lobt die „gute Entscheidung“ Wiens. Aus diesem Eck gepriesen zu werden, dürfte Bundeskanzler Werner Faymann nicht gefallen. Jobbik-Fraktionsvize Gábor Staudt unterstrich jedoch vor allem denkbare Folgeprobleme für Ungarn. Etwa, sollte Österreich versuchen, Flüchtlinge nach Ungarn zurückzuschicken, weil sie in der EU zuerst dort registriert wurden. Zudem sei denkbar, dass Flüchtlinge neue Wege über Rumänien und Ungarn suchten.

Kovács sieht darin kein Problem: Natürlich sei „alles möglich“, man sei aber auf alle Eventualitäten vorbereitet – und werde notfalls die Grenze zu Rumänien sichern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.