Ankara fordert mehr Geld von der EU

Merkel und Davutoğlu in Berlin.
Merkel und Davutoğlu in Berlin.(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Der türkische Ministerpräsident Davutoğlu besuchte am gestrigen Freitag Berlin. Beim Treffen mit der deutschen Kanzlerin stand die Flüchtlingskrise im Mittelpunkt. Die Umsetzung des Aktionsplans läuft schleppend.

Wien/Berlin. Im Terminplan der deutschen Kanzlerin waren am gestrigen Freitag gleich mehrere Stunden für ein Treffen von höchster Wichtigkeit reserviert. Der türkische Ministerpräsident, Ahmet Davutoğlu, war nach Berlin gereist, um dort erstmals bilaterale Regierungskonsultationen mit Deutschland zu führen. Das Hauptthema: die Flüchtlingskrise. Angela Merkel empfing ihren Amtskollegen mit militärischen Ehren, die Atmosphäre war betont freundschaftlich.

Die Türkei ist als wichtiges Transitland für die Pläne der Kanzlerin von großer Bedeutung: Merkel setzt nach wie vor auf eine europäische Lösung der Krise – und diese kann es ohne die Mitarbeit der Regierung in Ankara nicht geben. Allein aus Syrien sind bereits knapp 2,5 Millionen Schutzsuchende im Land; täglich werden es mehr. Viele reisen über die Ägäis-Inseln nach Europa ein, wo sie bekanntlich via Balkanroute versuchen, in ihr Zielland – zumeist Deutschland – zu gelangen. Laut einem Aktionsplan der EU mit der Türkei vom vergangenen November soll die Regierung in Ankara den Flüchtlingsstrom nach Europa durch bessere Grenzsicherung eindämmen. Im Gegenzug wurden drei Milliarden Euro Finanzhilfe, beschleunigte Beitrittsgespräche und Reiseerleichterungen für Türken in die EU zugesichert. Bisher aber gibt es in Brüssel wenig Lob für die türkischen Bemühungen zur Umsetzung des Plans: 2000 bis 3000 Menschen stranden nach wie vor Tag für Tag aus der Türkei kommend in Griechenland. Auch der deutsche Vizekanzler, Sigmar Gabriel (SPD), äußerte sich erst gestern unzufrieden über die Zusammenarbeit. „Bislang sehen wir nicht, dass die Verabredungen wirken“, sagte er dem SWR.

Merkel gibt sich geduldiger. Denn auch die EU selbst bleibt Zusagen schuldig. So gibt es über die Finanzierung der drei Milliarden Euro nach wie vor keine Einigkeit unter den Mitgliedstaaten. Auch von einer Vereinbarung zur Übernahme sogenannter Kontingentflüchtlinge aus der Türkei sind die EU-Länder weit entfernt.

„Humane Haltung“ Merkels gelobt

Davutoğlu machte bereits vor seiner Reise nach Berlin klar, dass er nun endlich „konkrete Maßnahmen“ der EU zur Überwindung der Krise erwartet – während auch die Türkei alles zur Umsetzung des Plans unternehme. Ausdrücklich lobte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen gestern Nachmittag etwa die beschlossene Arbeitserlaubnis für syrische Flüchtlinge in der Türkei.

Die Regierung in Ankara wiederum betrachtet die anvisierten Finanzhilfen der EU als Tropfen auf den heißen Stein. „Drei Milliarden Euro sind nur da, um den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen“, erklärte Davutoğlu in einem Interview. Insgesamt habe sein Land fast neun Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgegeben. „Niemand kann von uns erwarten, die ganze Last allein zu tragen.“ Die Flüchtlingskrise sei weder eine türkische noch eine deutsche Krise, so Davutoğlu. Mit ihrer „humanen Haltung“ stehe Merkel aber keineswegs allein da. (aga/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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