Extremisten in Schwierigkeiten

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Die Terrororganisation Islamischer Staat scheint geschwächt wie nie zuvor. Sie musste mehrere schmerzhafte Niederlagen einstecken.

Die USA und ihre Verbündeten wollen die Gelegenheit beim Schopf packen. Der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) soll mit der Befreiung von Raqqa und Mossul der Todesstoß versetzt werden. Dieser Plan von US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter samt den Verbündeten in Syrien und im Irak ist realistisch. Denn der IS ist so schwach, wie nie zuvor – und das dank der Bombenangriffe der internationalen Koalition und der Einigkeit der lokalen Gegner des IS.

Fehlende Mobilität. Wegen drohender Luftangriffe können sich die Extremisten nicht mehr frei bewegen. Sie müssen ihre Kämpfer nachts und nur in kleinen Trupps transportieren. Schwere Artillerie kann nicht mehr eingesetzt werden. Angriffe auf breiter Front sind nur unter schwersten Bedingungen und aufwendigen Vorbereitungen möglich.

Verlust von Führern und Kriegsgerät. Die Bomben der Koalition töteten mehr als 10.000 IS-Kämpfer. Darunter waren Dutzende von Anführern der Terrormiliz. Die routiniertesten Kämpfer der ersten Generation sind längst gefallen. Das Arsenal an schweren Waffen wurde signifikant dezimiert oder muss aus Angst vor Luftangriffen versteckt bleiben.

Suizidangriffe als abgestumpfte Waffe. Die oft mit Tonnen an Sprengstoff beladenen Fahrzeuge von Selbstmordattentätern waren lang die stärkste Waffe des IS, um gegnerische Linien zu durchbrechen. Diese IS-Kampfstrategie funktioniert nur mehr eingeschränkt. Die Gegner haben sich darauf eingestellt und erhielten, wie etwa die Truppen der autonomen Kurdenregion (KRG), deutsche Panzerabwehrraketen des Typs Milan. Damit werden die gepanzerten Selbstmordfahrzeuge problemlos abgeschossen.

Der Feind hört mit. Die Geheimdienste der Koalition hören die Kommunikation des IS ab. Vor Ort sind amerikanische Eliteeinheiten, die den IS mit elektronischen Spezialgeräten ausspionieren. Sie sind live mit den Beobachtungsdrohnen in der Luft verbunden. IS-Geheimnisse bleiben nur wenige über.

Gekappte Nachschubwege. In den vergangenen drei Monaten wurden Mossul und Raqqa Schritt für Schritt isoliert. Die beiden IS-Hochburgen im Irak und in Syrien sind von entscheidenden Nachschubwegen abgeschnitten. Öleinrichtungen und Tanklaster wurden bombardiert. Der Verkauf von Erdöl und Benzin ins Ausland ist zurückgegangen. Damit wurde eine wichtige Finanzquelle getroffen. Zuletzt wurde ein Bargeldlager des IS zerstört.

Fehlende Verteidigungsbereitschaft. Der IS hat keine angemessene Manpower mehr, um selbst strategisch wichtige Städte zu verteidigen. In Sinjar, al-Hole und Ramadi leisteten nur einige wenige Hundert IS-Kämpfer Widerstand. Die IS-Milizionäre liefen in den Schlachten um die strategisch bedeutsamen Städte davon, sobald ihre Verteidigungslinie zusammenzubrechen schien. Bisher sind alle Gegenoffensiven, mit denen die Extremisten ihre Verluste wieder gutzumachen versuchten, gescheitert.

Gesunkene Moral und wenig Rekruten. Von der Anfangseuphorie des IS ist nichts mehr übrig. Nach den großen Geländegewinnen im Irak vor beinahe zwei Jahren dachten die Extremisten, dass eine jihadistische Weltrevolution angebrochen sei. Doch nun ist die bittere Realität eingekehrt. Die Bombenangriffe zermürben, es gibt keine großen Siege des IS mehr. Im Gegenteil: Der IS steckt eine Niederlage nach der anderen ein. Aus dem Ausland kommen immer weniger Rekruten zum IS. IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi erkannte Handlungsbedarf und veröffentlichte eine seiner seltenen Audiobotschaften. Mit wilden Durchhalteparolen versuchte er, seine „Soldaten“ bei der Stange zu halten.

Attentate als Zeichen der Schwäche. Die zunehmende Serie von Attentaten im Ausland ist ein deutliches Indiz für die Schwäche der Terrororganisation. In der Vergangenheit wurden Anschläge nach Niederlagen eingesetzt, um ein vermeintliches Zeichen der Stärke an die Anhänger zu senden. Attentate gelten als gelungene Propaganda. Auch diesmal will man damit offenbar nur den bevorstehenden Niedergang kaschieren.

FAKTEN

Die IS-Kämpfer haben zuletzt eine Reihe von Rückschlägen erlitten. Die Stadt Sinjar, die vor der IS-Offensive im Sommer 2014 vor allem von der religiösen Minderheit der Jesiden bewohnt worden war, wurde Mitte November 2015 von kurdischen Truppen zurückerobert. Die Stadt Ramadi westlich der irakischen Hauptstadt Bagdad verlor der IS Ende Dezember nach einer Großoffensive der irakischen Streitkräfte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

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