Präsidentenwahl in Portugal: Die Stunde des TV-Predigers

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Alles deutete auf den Konservativen Rebelo de Sousa hin. Der Staatschef spielt im Machtgleichgewicht des Landes eine wichtige Rolle.

Lissabon/Madrid. Die Portugiesen haben am Sonntag einen neuen Staatspräsidenten gewählt. Die Umfragen rechneten mit einem Sieg des konservativen Marcelo Rebelo de Sousa, des 67-jährigen Rechtsprofessors und populären TV-Kommentators. Den Erhebungen zufolge könnte er sogar auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommen, wodurch kein zweiter Wahlgang notwendig wäre. Den insgesamt neun Gegenkandidaten, überwiegend aus dem sozialistischen Lager oder linken Spektrum, wurden in dieser Runde keine Chancen eingeräumt.

Wenn die Prognosen zutreffen, müsste der Konservative, der als politischer Fernsehprediger populär geworden ist, künftig mit einer sozialistischen Regierung zusammenarbeiten. Die größten Herausforderungen in dem Eurokrisenland sind der Kampf gegen die Schulden- und die Wirtschaftsmisere sowie die wachsende Armut im Land. Portugal wurde 2011 vom Euro-Rettungsfonds mit 78 Milliarden Euro vor der Staatspleite bewahrt und musste sich im Gegenzug einem harten Spar- und Reformkurs unterwerfen.

Seine Popularität hat „Marcelo“, wie er im Volk genannt wird, vor allem seinem Redetalent zu verdanken. Lange Zeit kommentierte der galante Professor, der vor 20 Jahren vorübergehend Parteichef der Konservativen war und sich dann aus der aktiven Politik zurückzog, am Sonntagabend im Fernsehen Aktuelles. Er erklärte den Bürgern die Wirren der Politik, sprach über Fußball, die Wirtschaft, über Gott. Und zwar so, dass die Menschen ihn verstanden. Die Portugiesen bedankten sich mit Einschaltquoten von über 30 Prozent.

Portugals Staatschef wird von den Bürgern direkt gewählt und spielt eine wichtige Rolle im Machtgleichgewicht des Landes. Der Präsident hat nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern darf auch Gesetze der Regierung bremsen oder bei Zweifeln über ihre Verfassungsmäßigkeit zurückweisen. Zudem kann er, wenn er das Vertrauen in die Regierung verliert oder Instabilität droht, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Der bisherige Amtsinhaber, der 76-jährige konservative Aníbal Cavaco Silva, war seit 2006 im Amt und muss nach zehn Jahren gemäß der Verfassung abtreten.

Mit einem Sieg von Rebelo de Sousa dürfte das Regieren für Portugals sozialistisches Minderheitskabinett nicht einfacher werden. Zumal Premier António Costa sich auf scharfem Kollisionskurs mit der konservativen Opposition befindet. Costa hat bei seiner Amtsübernahme vor zwei Monaten das Ende der bisherigen Austeritätspolitik verkündet. Was Portugals Konservative, die bis November regiert haben, zu der Warnung veranlasst hat, dass Portugal nun auf dem Weg sei, Griechenland ins Chaos zu folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)

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