Diplomatie: Iranische Einkaufstour in Europa

Iran President Rouhani walks with Pope Francis at the Vatican
Iran President Rouhani walks with Pope Francis at the Vatican(c) REUTERS (POOL)
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Irans Präsident, Hassan Rohani, wird in Rom und Paris hofiert. Europäische Firmen zählen auf milliardenschwere Geschäfte mit Teheran.

Kairo/Wien. Das Tauwetter mit dem iranischen Regime sorgt für Goldgräberstimmung in Europa. Automanager in Frankreich und Deutschland reiben sich die Hände. Bei Airbus liegt ein Jahrhundertvertrag für 114 Flugzeuge unterschriftsreif im Konzernsafe. Italiens Pipeline- und Bauindustrie rechnen mit Milliardenaufträgen, fünf komplette Krankenhäuser soll das Land in den nächsten Jahren liefern. Und nebenbei gab es im Vatikan noch eine höfliche Audienz beim Papst – sozusagen von Gottesmann zu Gottesmann. In den Kapitolinischen Museen wurden sogar nackte Skulpturen mit Holzpaneelen vernagelt, damit der gelernte Kleriker aus dem Iran keinen Anstoß nimmt.

Hassan Rohani ist auf Europa-Tour, nicht mehr als Dunkelmann der Achse des Bösen, sondern als Präsident eines Landes, das gerade frisch aus dem Keller der international Geächteten geklettert ist. Er gibt sich aufgeräumt und erleichtert, denn er kommt nicht als Bittsteller, sondern als umworbener Großeinkäufer, der nach zwei Jahrzehnten Sanktionen praktisch alles braucht, was der Modernisierung dient und für Geld zu haben ist.

Mit dem Atomabkommen von Wien ist der gordische Knoten im Verhältnis zwischen Europa und den Erben der 2500-jährigen persischen Geschichte durchtrennt. Viele europäische Regierungen und Geschäftsleute waren dem immer strikteren Sanktionskurs Washingtons nur zähneknirschend und widerwillig gefolgt. Die Iraner mit ihrer Zivilisation und Geschichte, ihrem Bildungsniveau und ihrer reichen Kultur haben den Europäern immer gelegen. Die Wirtschaftsbeziehungen zu der mit Öl und Gas gesegneten Nation waren eng und profitabel. Die iranischen Partner galten als gute Kunden, selbstbewusst und kompetent, pünktlich zahlend und zuverlässig.

Deals im Öl- und Stahlsektor

Italien war vor dem Atomkonflikt der wichtigste Handelspartner Teherans. Frankreichs und Deutschlands Autokonzerne standen Pate bei Irans Fahrzeugindustrie, der größten im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Der schwäbische Maschinenbau belieferte Teherans Mittelständler genauso selbstverständlich wie die eigenen daheim. Kaum ein iranischer Fabrikschef, der in den vergangenen Jahren gegenüber Besuchern nicht schon nach wenigen Sätzen über die Billigmaschinen aus China klagte, um dann das Hohelied auf deren deutsche Vorgängerfabrikate anzustimmen. Die meisten iranischen Firmenlenker haben in ihren Köpfen den früheren europäischen Lieferanten die Treue gehalten, auch wenn ihnen durch den internationalen Boykott zuletzt nur noch Fernost offen stand.

Und so findet man sich jetzt flott wieder. Wissenschaftler der Universitäten von Neapel und Barcelona sollen im Iran mit modernen Methoden nach Öl bohren – bezahlt werden die Projekte von den Regierungen Italiens und Spaniens. Einen Öldeal mit Griechenland gibt es ebenfalls bereits: Iranische Ölgesellschaften sollen sich an griechischen Raffinerien beteiligen. Italien und der Iran wollen zudem im Stahl- und Agrarsektor kooperieren. Ein gemeinsames Investment der beiden Staaten im südiranischen Stahlgürtel soll allein 5,4 Milliarden Dollar ausmachen.

Todesurteile für Kinder

Während Rohani in diesen Tagen in Rom und danach in Paris hofiert wird, weist etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf die verheerende Menschenrechtslage im Iran hin. Amnesty wirft Irans Regime eine „schändliche Missachtung von Kinderrechten“ vor. Die iranische Justiz habe mehr als hundert Jugendliche zum Tode verurteilt, in den vergangenen zehn Jahren seien 73 von ihnen hingerichtet worden. „Der Iran behält Gesetze bei, die Todesurteile für Mädchen ab neun Jahren und Buben ab 15 Jahren erlauben“, beklagt Amnesty International.

Rohani hat seinen 78 Millionen Landsleuten versprochen, dass eine Entspannung in den Beziehungen zur Außenwelt auch eine Entspannung im Inneren des Iran nach sich ziehen werde. Die nächste Kraftprobe mit den konservativen Kreisen im schiitischen Gottesstaat ist mit den kommenden Parlamentswahlen bereits in vollem Gange. Denn der ultraorthodoxe Wächterrat blockiert praktisch sämtliche Reformkandidaten, was die Abstimmung am 26. Februar zur absoluten Farce machen würde. Selbst Khomeini-Enkel Hassan, der für seine aufgeklärten Ansichten bekannt ist, darf nicht antreten.

AUF EINEN BLICK

Irans Präsident, Hassan Rohani, ist auf seiner ersten Europa-Reise nach dem Ende der Sanktionen. Die ersten Geschäfte sind bereits unter Dach und Fach. Italien und Spanien bezahlen Öl-Projekte, einen Öl-Deal gibt es auch mit Griechenland. Auch im Stahlsektor will Rom zusammen mit dem Regime in Teheran Milliarden investieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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