„Man muss Trumps Fans zuhören“

Audience members listen as U.S. Republican presidential candidate Donald Trump speaks at a campaign rally in Marshalltown
Audience members listen as U.S. Republican presidential candidate Donald Trump speaks at a campaign rally in Marshalltown(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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David Frum, Vordenker der Republikanischen Partei, hält Donald Trump für chancenlos im Rennen um die Nominierung. Die Partei sollte allerdings Ärger und Ängste seiner Anhänger ernst nehmen, wenn sie gewinnen will.

Die Presse: Herr Frum, was ist mit den Republikanern los?

David Frum: Etwas, das sich nicht sehr von dem unterscheidet, was in vielen anderen entwickelten Staaten los ist. Wir sehen überall drei Trends: erstens weniger Wirtschaftswachstum seit dem Jahr 2000. Zweitens kommt die Babyboom-Generation jetzt in das Alter, wo sie verstärkt Ansprüche an den Staat stellt, für deren Erfüllung er nicht mehr die Mittel hat, die er vor 15 Jahren zu haben glaubte. Und all das geschieht drittens in einer Zeit wachsender kultureller und ethnischer Unterschiede, was es erschwert, miteinander konkurrierende Ansprüche an den Staat unter einen Hut zu bringen.

Wie schwer ist es, heute Republikaner zu sein, wenn jemand wie Donald Trump in den Umfragen führt? Er mag manche Leute, die sich bisher nicht für Politik interessiert haben, anziehen. Wie schwer wäre es mit ihm, die Wahl zu gewinnen?

Ja, es wäre schwer für ihn, die allgemeine Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Aber ich denke, es wäre auch schwer, sie zu gewinnen, ohne auf die Kräfte Rücksicht zu nehmen, die ihn erfolgreich machen. Die traditionellen Konzepte, Ideen und Vorschläge der Republikanischen Partei sind in den letzten Präsidentschaftswahlen auch nicht so toll angekommen.

Sie argumentieren, dass die Partei die weißen, eher schlechter ausgebildeten Mitglieder der Mittelschicht vernachlässigt: Menschen, die weder arm noch reich sind, aber die das Gefühl haben, dass sie ihre Lebensart verlieren. Wie können die Republikaner sie zurückgewinnen?

Dort, wo Mitte-Rechts-Parteien zuletzt erfolgreich waren – in Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, ein bisschen weniger in Deutschland –, haben sie Folgendes getan: Ihre traditionellen Ideen von Märkten, dem Unternehmertum und der Besteuerung haben die Wirtschaft wachsen lassen. Sie haben das Wachstum des Staatswesens beschränkt, aber sie haben das Konzept des Sozialstaates gewürdigt. Und sie waren nicht zu enthusiastisch hinsichtlich der Einwanderung. Politische Parteien kommunizieren, dass sie die Leute, die sie unterstützen, ernst nehmen und beschützen.

Die Republikaner haben seit Barack Obamas Einzug ins Weiße Haus beide Kongresskammern, die Mehrheiten in zahlreichen Gesetzeskammern der Teilstaaten sowie etliche Gouverneure gewonnen. Wieso scheitern sie an der Präsidentschaft?

Weil das Wahlvolk größer ist. Republikaner schneiden in New York und Kalifornien stets schlecht ab. Das ist egal, um den Kongress zu kontrollieren: Jeder Staat hat nur zwei Senatoren, und wenn man in anderen Teilen des Landes genug große Mehrheiten sammelt, reicht das. Aber in Präsidentschaftswahlen sind diese beiden Staaten sehr wichtig, ebenso wie die Fähigkeit, große absolute Mengen von Wählern für sich zu gewinnen.

Welche Strategie soll die Partei wählen, um die verärgerten weißen Wähler zurückzuholen? Ist Trumpismus – grell, ressentimentgeladen – die Antwort?

Donald Trump hat sein Geld als Vermarkter verdient. Er hat herausgefunden, was die Leute wollen und es ihnen gegeben. Das heißt nicht, dass er die richtigen Antworten hat oder die Persönlichkeit, um Präsident zu sein. Aber er hat uns etwas gezeigt, und Information ist wertvoll. Die vernünftige Antwort auf ihn ist: Die Leute sind über etwas aufgebracht, und ein Populist versucht, das für seine Zwecke auszubeuten. Es geht nicht darum, Donald Trump zuzuhören, sondern seinen Anhängern. Wenn große Zahlen von Männern mit Pflichtschulabschluss entdecken, dass ihr Lebensstandard sinkt, ist das ein wichtiges Problem. Es mag nicht die richtige Antwort sein, das Welthandelssytem in die Luft zu sprengen. Aber genauso wenig ist es richtig, bloß zu sagen: Seid still.

Wie sollte man mit den Sorgen der Trump-Anhänger vor Einwanderung und Globalisierung umgehen?

Weniger Einwanderung wäre eine gute Antwort. Mit dem Handel ist es komplizierter. Es mehren sich die Nachweise, wonach es für die USA besser wäre, weniger Außenhandel zu treiben. Aber für den Rest der Welt wäre das schlechter. Wir müssen weiterhin offen Handel treiben, aber wir müssen uns mehr um die Leute annehmen, die ihre Arbeitsplätze verlieren. Wir müssen vor allem einsehen, dass es mehr von ihnen geben wird, dass sie mehr verlieren werden, und dass es schwerer wird, etwas Neues für sie zu finden. Deshalb bin ich allein unter den Republikanern mit meiner Forderung nach einer allgemeinen Krankenversicherung. Denn wir müssen den Amerikanern sagen können: Selbst wenn eure Gehälter wegen der Globalisierung stagnieren, nehmen wir euch die Angst vor dem Bankrott, falls eure Kinder krank werden.

Das ist eine totale Minderheitenposition in Ihrer Partei.

Ja. Aber sie ist korrekt. Früher oder später wird die Partei sich damit auseinandersetzen müssen.

Wird Trump Präsidentschaftskandidat?

Nein.

Er könnte als Unabhängiger antreten.

Das ist sehr schwer. Nach Ross Perots Antritt 1992 haben wir in allen Staaten Gesetze erlassen, die es für Unabhängige sehr schwer machen, auf den Wahlzettel zu kommen. In New York zum Beispiel muss man in jedem Bezirk einzeln zugelassen werden.

Was wird sich also bei den Vorwahlen abspielen?

Hier ist ein Chaosszenario: Trump kommt zum Parteitag im Juli mit 35 Prozent der Delegierten. Er hat mehr als die anderen, aber keine Mehrheit. Was nun? Bedenken Sie: Die Delegierten sind mehrheitlich nicht enthusiastisch über ihn. Denn Delegierter zu werden ist eine Belohnung für langjährige Dienste für die Partei. Man wird nicht Delegierter, weil man Donald Trumps Mann vor Ort ist – vor allem nicht in den großen Staaten wie New York oder Kalifornien. Sie haben ihm gegenüber nur ein Versprechen zu halten: im ersten Wahldurchgang für ihn zu stimmen. Das gilt aber nicht für den zweiten Wahldurchgang, und auch nicht für seinen Vorschlag des Vizepräsidenten.

Aber wenn er nominiert wird: Was dann?

Es ist kaum vorstellbar, dass er gewinnt. Vor allem, wenn die Demokraten geschlossen bleiben. Und weil es kaum vorstellbar ist, dass er gewinnt, ist es unwahrscheinlich, dass ihn die Partei nominiert. Parteien verlieren üblicherweise nicht mit Absicht.

Sehen Sie eine Strategie der Partei, um Trump zu stoppen?

Was ihn stoppen wird ist, wenn er in New Hampshire 35 Prozent gewinnt, und jemand wie Rubio oder Bush oder Kasich liegt mit 25 Prozent dahinter. Dann wird die Partei sagen: Gut, wer auch immer weder Trump noch Ted Cruz ist, wird unser Kandidat. Dann werden die anderen Kampagnen enden und ihre Ressourcen diesem Kandidaten zufließen. Und vergessen Sie nicht: Zwei Drittel der Republikaner sagen, dass sie nie für Trump stimmen würden.

ZUR PERSON

David Frum ist leitender Redakteur des Monatsmagazins „The Atlantic“ und Vorsitzender des britischen Thinktanks The Policy Exchange. Nach Studien in Yale und Harvard war der 1960 in Kanada Geborene unter anderem als Redakteur des „Wall Street Journal“ tätig, ehe er von 2001 bis 2002 als Redenschreiber von Präsident George W. Bush arbeitete. Der Ausdruck „axis of evil“ („Achse des Bösen“) stammt von ihm. [ Getty ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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