Wie man seinen Chef führt

Leadership. Wer sagt, dass Führung nur von oben nach unten erfolgt? Eine Anleitung für alle, die es einmal andersrum probieren wollen. PS: Sie funktioniert auch für andere Beziehungen.

Das Selbstbild jedes Menschen entsteht in seiner Kindheit. Was uns gut gelang, das machten wir wieder. Diese kleinen Erfolge verliehen uns das Gefühl, gut zu sein und würdig dazuzugehören: zu Mama und Papa, zur Kindergartengruppe, zur Klasse. Sie beflügelten, sie machten mutig und selbstsicher.
Was uns nicht so gut gelang, dafür schämten wir uns. Wir hatten Angst, aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden. Diese Logik stammt aus grauer Vorzeit, als der Schutz der Gruppe überlebensentscheidend war.

Sie gilt bis heute: Misserfolg macht zögerlich, unsicher und mutlos. Kein Wunder, dass wir diese Tätigkeiten künftig wie die Pest meiden – selbst wenn wir sie mit etwas Übung hätten lernen können.

Wie im Kindergarten

Zeitsprung: Jahrzehnte später, im Unternehmen. Ein Manager steigt im Meeting einem anderen auf die Zehen, in aller Öffentlichkeit. Dem geht es wie damals im Kindergarten: Er ist beschämt und fürchtet um seinen Platz in der Gemeinschaft, schlimmer noch: um sein Überleben. Er kann gar nicht anders als sein Selbstbild, seine Position zu verteidigen. Das Sachthema ist dafür bestenfalls Vehikel.

Dabei wäre es so einfach, alles wieder ins Lot zu rücken. Man müsste ihm nur das Gefühl geben, dass sein Rang gesichert ist, und er würde sofort wieder in seine Rolle zurückfinden. Um das zu bewirken muss man kein Vorgesetzter sein.

»"Ermutigen bezieht sich auf Künftiges, Loben auf Vergangenes."«

Aufbauen heißt nicht loben

In diesem Artikel geht es um das Ermutigen solcher Entmutigter. Nicht zu verwechseln mit Loben: Ermutigen bezieht sich auf Künftiges, Loben auf Vergangenes. Lob impliziert ein hierarchisches Verhältnis: Der Vorgesetzte lobt den Mitarbeiter, dieser wird ihm wohl kaum auf die Schulter klopfen.
Ermutigung geht in beide Richtungen. Daher kann auch der Mitarbeiter den Chef führen, wenn der sich unsicher fühlt. In ihrem Buch „Ermutigende Führung“ beschreiben die Autoren, wie das geht.

Beginnen wir mit der üblichen Richtung, Ermutigung von oben nach unten. Voraussetzung ist eine intakte Beziehung. Das ist leichter gesagt als getan: Unbewusst zweifeln Vorgesetzte oft an ihren Mitarbeitern, trauen ihnen nicht viel zu. Die spüren das natürlich, worin auch schon die Wurzel für ein angespanntes Verhältnis liegt.
Deshalb ernten viele Führungskräfte, die doch nur Feedback geben wollen, von ihren Leuten blankes Misstrauen und Ablehnung. (Diese Logik gilt übrigens nicht nur am Arbeitsplatz. Sie betrifft genauso Eltern und ihre pubertierenden Kinder oder streitende Partner.)

»Ziel ist, dem Entmutigten ein „Ich habe es geschafft!“-Erlebnis zu vermitteln."«

Der Ausweg aus dieser Beziehungsfalle lautet, das Gegenüber wie einen guten Freund zu betrachten. Der unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt zu anderen Beziehungen: Man ist zwar auch nicht mit allem einverstanden, akzeptiert ihn aber so, wie er ist.
Also: kein Nörgeln, keine Kritik, kein Zynismus. Oft verbessert schon das das Klima enorm. Es dauert allerdings mehrere Wochen bis Monate, bis sich das misstrauische Gegenüber entspannt und nicht immer gleich das Schlimmste befürchtet.

Ist das Eis geschmolzen, vertraut der Chef nun seinem Mitarbeiter eine fordernde, aber dessen Möglichkeiten entsprechende Aufgabe an. Alle Ressourcen stehen dafür offen, nur eine nicht: die Aufgabe rückzudelegieren. Das würde erneut das Gefühl der Unfähigkeit wachrufen. Ziel ist, dem Entmutigten ein „Ich habe es geschafft!“-Erlebnis zu vermitteln. Das beflügelt, macht mutig und selbstsicher – wie damals im Kindergarten.

Führung andersrum

Jetzt drehen wir den Spieß um. Auch Chefs sind nicht frei von Selbstzweifeln und Ängsten. Die zeigen sich oft in Entscheidungsschwäche, in Aggression oder in übertrieben autoritärem Verhalten. Nicht umsonst umgeben sich viele Spitzenmanager gern mit Jasagern: Von denen haben sie keine Kritik zu befürchten.

»"Auch Chefs sind nicht frei von Selbstzweifeln und Ängsten."«

Will nun ein Mitarbeiter seinen im Grund nur verunsicherten Vorgesetzten in die richtige Richtung schubsen, muss er zuerst (ungeachtet der Vorgeschichte) Beziehungsarbeit leisten, einige Wochen bis Monate grundsätzliche Akzeptanz vorleben und Vertrauen in die Fähigkeiten des Chefs zeigen.

Dann sucht er einen günstigen Moment für ein Vieraugengespräch und gibt ein vorsichtiges Feedback, einen Rat, eine Empfehlung: nicht zu viel und nicht zu wenig. Auch hier muss sich der Vorgesetzte am Ende bestärkt und anerkannt fühlen – wieder wie im Kindergarten.

Topmanagementberater empfehlen ihren hochrangigen Coachees übrigens, sich wenigstens einmal im Jahr in Situationen zu begeben, in denen niemand ihre berufliche Position kennt. Das rücke ihr Selbstbild zurecht, sagen sie, und helfe ihnen, nicht abzuheben.

Im Kleinen bewirkt das auch der tägliche Rundgang durch das Haus, wenn dabei das ehrliche Gespräch mit der Basis gesucht wird. Überliefert ist ein Zitat von Volker Kronseder, dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen Krones AG. Der sagte zu seiner Mannschaft: „Ich will nicht jeden Tag Kritik von euch hören. Aber einmal im Monat dürft ihr schon etwas sagen.“

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