Merkel zu Syrien: "Entsetzt über Leid durch Bombenangriffe"

Eine syrische Familie auf der Flucht - im eigenen Land.
Eine syrische Familie auf der Flucht - im eigenen Land.REUTERS
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Syriens Armee rückt immer weiter auf Aleppo vor. Die Menschen an der Grenze sind verzweifelt. Merkel kritisiert die Offensive syrischer und russischer Truppen.

Immer weiter rückt die syrische Armee auf die Stadt Aleppo im Norden Syriens vor. Sie zwingt damit zehntausende Syrer zur Flucht an die türkische Grenze, wo immer mehr Menschen vor verschlossenen Toren auf eine Weiterreise warten. Syriens Regierungstruppen seien am Montag weiter zur Grenze im Norden vorgestoßen. Unterstützt würden sie dabei von der russischen Luftwaffe und Milizen, die vom Iran Hilfe erhielten, berichteten Rebellen, Einwohner und die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Die Armee hätte die Ortschaft Kafeen erobert. Die Truppen stünden nur noch fünf Kilometer vor der Rebellenhochburg Tal Rafaat, wo Aufständische um ihr Überleben kämpften. Damit ist die Armee auf fast 25 Kilometer an die syrisch-türkische Grenze herangerückt. Die Lage der Campierenden wird aufgrund der Wintertemperaturen immer schwieriger. Sie seien verzweifelt, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Montag.

80.000 Syrer auf der Flucht

Bei ihrem Besuch in Ankara kritisierte die deutsche Kanzlerin Merkel die Luftangriffe des syrischen Regimes und Russlands scharf. "Wir sind in den letzte Tagen nicht nur erschreckt, sondern auch entsetzt, was an menschlichem Leid für Zehntausende Menschen durch Bombenangriffe entstanden ist, vorrangig von russischer Seite", sagte sie. Die Kanzlerin machte deutlich, dass Russland damit auch gegen eine entsprechende UNO-Resolution verstoße, die sich gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung richte. Deutschland und die Türkei forderten von Russland die Einhaltung dieser Resolution, sagte Merkel: "Das, was sich an der türkisch-syrischen Grenze zeigt, ist das große Leid."

Laut Schätzungen seien fast 80.000 Syrer auf der Flucht in Richtung der syrischen Stadt Azaz und des türkischen Grenzübergangs bei Kilis. Dort warteten bereits rund 10.000 Menschen. In den vergangenen Tagen hatte es nach unterschiedlichen Angaben geheißen, in der Nähe von Azaz harrten zwischen 30.000 und 50.000 Menschen aus. Es mangele an Unterkünften, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, sagte die Leiterin der Syrien-Mission von Ärzte ohne Grenzen, Muskilda Zancada.

Türkei: Nehmen Flüchtlinge "wenn nötig" auf

Denn die Türkei lässt die Tausenden Wartenden - bis auf Verletzte und schwer kranke Menschen - nicht ins Land. Sie erhalten zwar Hilfsgüter und Unterschlupf in Flüchtlingslagern an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei - erst am Montag wurde ein weiteres Flüchtlingslager für 10.000 Menschen errichtet - doch die Grenzen bleiben vorerst geschlossen.

Die Türkei werde die Wartenden an der Grenze, "wenn nötig" aufnehmen, sagte der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu. Auch er verurteilte die russischen Luftangriffe. In einer gemeinsamen Soforthilfe-Aktion wollen sich Berlin und Ankara nun um die Flüchtlinge kümmern. Eine entsprechende bilaterale Aktion gemeinsam mit Hilfsorganisationen werde umgehend beginnen, sagte Davutoglu. Von deutscher Seite soll das Technische Hilfswerk, von türkischer Seite die staatliche Katastrophenhilfe eingesetzt werden. 

Zudem wollen Berlin und Ankara die NATO in den Kampf gegen Schlepper in der Ägäis einbinden. Merkel kündigte Einsätze deutscher und türkischer Polizisten gegen den "illegalen Grenzübertritt" in der Türkei an. Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in dieser Woche müsse erörtert werden, "inwieweit die NATO bei der Überwachung der Situation auf See hilfreich sein und die Arbeit von Frontex und der türkischen Küstenwache unterstützen kann", sagte Merkel.

(APA/dpa/Reuters)

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