Ein Protokoll belegt, wie harsch der türkische Präsident die Verhandlungen mit der EU führte.
Wien. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hat EU-Vertreter in der Flüchtlingskrise massiv unter Druck gesetzt. Das geht aus einem Protokoll hervor, dass die griechische Nachrichtenplattform euro2day.gr veröffentlichte. In einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Rande des G20-Gipfels im November in Belek drohte Erdoğan offen damit, alle Grenzen für Flüchtlinge Richtung Europa zu öffnen, sollte sein Land nicht ausreichend finanzielle Hilfe erhalten. „Wir können die Tore nach Griechenland und Bulgarien jederzeit öffnen und die Flüchtlinge dort in Busse stecken.“
Erdoğan forderte bei dem angespannten Gespräch mit den beiden EU-Vertretern, dass die angebotene finanzielle Hilfe von drei Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in der Türkei erhöht werden müsse. „Wenn Sie drei Milliarden Euro für zwei Jahre bieten, brauchen wir gar nicht weiter zu diskutieren.“ Er erinnerte daran, dass Griechenland in der Schuldenkrise 400 Milliarden Euro von den EU-Partnern erhalten habe und wies darauf hin, dass er Geld benötige, um in den Aufbau einer Sicherheitszone für Flüchtlinge jenseits der Grenze in Syrien zu investieren. „Denn nur so können alle Problem mit den Flüchtlingen gelöst werden.“
„Werden Sie sie umbringen?“
Während Juncker versuchte, das Gespräch zu beruhigen, wies Tusk darauf hin, dass die Notkredite für Griechenland nicht mit der nun diskutierten Hilfe für die Türkei vergleichbar seien. Nach einer längeren Auseinandersetzung, in der es um die Probleme der Aufteilung der Flüchtlinge unter den EU-Mitgliedstaaten ging, fragte Erdoğan zynisch: „Was werden Sie denn mit den ankommenden Flüchtlingen tun, wenn wir keinen Deal schaffen? Sie umbringen?“ Sollte die Situation eskalieren, werde die EU nicht nur mit Bildern von einem toten Buben am Strand konfrontiert sein, sondern mit 10.000 oder 15.000. „Wie werden Sie damit umgehen?“ (wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)