Ungarn: Jobbiks neuer Kampf gegen den Islam

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HUNGARY PARTIES JOBBIK(c) ATTILA KOVACS / EPA / picturedesk
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Die rechtsextreme Jobbik versuchte sich zuletzt nicht nur islamfreundlich, sondern überhaupt gemäßigter zu präsentieren. Das scheint vorbei. Ein Gespräch mit Parteichef Gábor Vona.

Budapest. Ungarns Jobbik galt lang als die extremste rechte Partei mit großer Gefolgschaft in ganz Europa. Mit antisemitischen und vor allem mit Ausbrüchen gegen Roma machte sie von sich reden, eine uniformierte Miliz namens Ungarische Garde weckte Erinnerungen an die Pfeilkreuzler oder auch an die deutsche SA. Parteichef Gábor Vona, unter dem Jobbik zur dritt- und dann zweitstärksten Partei wurde, versuchte seit gut zwei Jahren, aus dem rechten Eck herauszukommen. Er wollte aus Jobbik eine Volkspartei machen und so die nächsten Wahlen 2018 gewinnen. Es schien zu funktionieren: „Wir waren in allen Umfragen im Aufwind, bis die Flüchtlingskrise kam“, sagt Parteichef Gábor Vona im Gespräch mit der „Presse“.

Als neuerdings „gemäßigte, anständige Volkspartei“ konnte Jobbik die neue Lage nicht ausschlachten, während überall in Europa dank der Krise rechte Parteien erstarkten. In Ungarn dagegen füllte die Regierungspartei Fidesz mit fremdenfeindlicher Rhetorik den politischen Raum, den Jobbik geräumt hatte, und feierte seither Triumphe in den Umfragen. Es gab ein weiteres Problem für Jobbik: Vonas persönliche Sympathie für den Islam. Der Islam, sagte er einst, sei „die letzte Hoffnung des Konservativismus“.

„Das eigene Land schützen“

„Ich habe das einmal im Zusammenhang mit der Globalisierung gesagt: dass der Islam im Ringen dagegen eine letzte Festung sein könne“, sagt Vona. „Ich finde es weiterhin wichtig, die Probleme um Flüchtlingskrise und Islamischem Staat nicht mit dem Islam zu vermischen.“ Das macht Jobbik in Europas rechter Szene einzigartig – eine rechtsextreme Partei mit einem Chef, der den Islam mag. Um voranzukommen, vollzieht Vona in der Flüchtlingskrise eine neue Wende: weg von der Islamophilie. „Diese Haltung zum Islam hat mehr mit mir zu tun als mit der Partei“, sagt er jetzt. „Nicht alle sind mit mir einverstanden.“ Vona spricht plötzlich von einem kommenden Konflikt zwischen der islamischen und der christlichen Kultur in Europa: „Ich fürchte, ein großer Konflikt zwischen den beiden Kulturen wird unvermeidlich sein.“ Ungarn, meint er, „sollte sich aus dieser Debatte möglichst heraushalten. Das eigene Land schützen, aber nicht an diesem Konflikt teilnehmen.“

Das Land vor muslimischen Einwanderern zu schützen: Das ist der neue Tenor bei Jobbik. Die harte Flüchtlingspolitik von Ministerpräsident Viktor Orbán, so argumentiert Vona, sei von Jobbik abgekupfert: Orbán „hat unsere Politik zu seiner eigenen gemacht und umgesetzt. Der Grenzzaun war unsere Idee, schon Ende 2014. Auch Einbindung der Armee in den Grenzschutz. Orbán macht Jobbik-Politik.“ Insofern sei er mit Orbáns harter Flüchtlingspolitik inhaltlich auch völlig einverstanden.

Es ist die zweite Wende bei Jobbik innerhalb von zwei Jahren: Zuerst weg vom rechten Image, jetzt weg vom Ruf der Sympathie für den Islam. Die Zeiten, da Ungarns Muslime Jobbik unterstützt haben – denn das haben sie getan, schon wegen der extremen Israel-Kritik der Partei – sind wohl vorüber.

Darüber hinaus zeigt sich bei Vona aber auch ein Rückorientierung nach ganz rechts. Bei allen Beteuerungen, moderat und Volkspartei sein zu wollen, wünscht er sich neuerdings Beziehungen zwischen Jobbik und der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD). „Wir sind für die AfD sehr offen. Ich beobachte sie mit viel Interesse“, sagt Vona. Die umstrittene Forderung von Parteichefin Frauke Petry, notfalls auf Flüchtlinge auch zu schießen, unterstützt er. „Grenzer haben Waffen“, sagt er. „Wo der Gebrauch nötig ist, in Abwehrsituationen, gehört das zum Denkbaren.“ Jobbik habe das „auch bei uns in Ungarn unterstützt und auch einen potenziellen Waffeneinsatz dabei in Kauf genommen, als wir vorschlugen, die Armee an der Grenze einzusetzen“.

Derweil prophezeit er den Sturz von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Ich würde derzeit kein Geld auf sie wetten. Ihr bislang stets verlässlicher politischer Instinkt hat sie verlassen, sie ist in dieser Situation zur Dogmatikerin geworden.“

Rechte bejubeln Orbán

Auch mit anderen Parteien des rechten Spektrums in Europa hätte Vona gern mehr Austausch und Kontakt, etwa zur schweizerischen SVP. Das Problem ist nur, dass all diese Parteien Orbán zujubeln, nicht Vona. Es ist, als wäre Orbán mittlerweile der Wortführer der Rechtskonservativen in ganz Europa. „Das ist eine neue Erscheinung, dass all diese Parteien plötzlich Orbán lieben. Es ist ein Ergebnis der Flüchtlingskrise“, tröstet sich Vona. Jobbiks Parteichef glaubt nach wie vor, bei der Parlamentswahl 2018 eine echte Chance zu haben. Noch steht freilich Orbán in allen Umfragen unangefochten an erster Stelle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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