Syrien: Gewaltwelle überschattet neue Pläne für Feuerpause

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Binnen weniger Stunden detonierten in Homs und Damaskus mehrere Bomben. Mehr als 120 Menschen kamen ums Leben.

Heftige Gewaltwelle überschattet neue Pläne für Feuerpause  Eine brutale Serie von Bombenanschlägen und Selbstmordattentaten hat neue Pläne für eine mögliche Waffenruhe in Syrien überschattet. Binnen weniger Stunden detonierten in den Städten Homs und Damaskus mehrere Bomben, bei denen mehr als 120 Menschen ums Leben kamen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich in zunächst nicht überprüfbaren Online-Botschaften zu den Taten.

US-Außenminister John Kerry hatte zuvor nach eigenen Angaben mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow eine "vorläufige Einigung" über die Bedingungen einer Feuerpause in Syrien erreicht. Sie könnte demnach in den nächsten Tagen beginnen.

Insgesamt erschütterten am Sonntag sechs Explosionen ein Viertel der Alawiten-Minderheit in Homs und einen Schiitenbezirk im Süden der Hauptstadt Damaskus, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte weiter mitteilte. Alleine in Damaskus wurden mehr als 180 weitere Menschen verletzt.

Am südlichen Stadtrand der Hauptstadt rissen demnach am Nachmittag vier Bomben mindestens 62 Menschen in den Tod. Im Schiitenbezirk Sajeda Sainab sei eine Autobombe explodiert, zudem hätten sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Der Ursprung der vierten Detonation blieb zunächst unklar.

Unter den 59 Todesopfern durch zwei Autobomben im Stadtteil Sahraa in Homs, in dem vor allem Anhänger der religiösen Minderheit der Alawiten wohnen, waren am Sonntagmorgen wenigstens 39 Zivilisten, wie die Menschenrechtsbeobachter mitteilten. Den Menschenrechtlern zufolge explodierte die erste Bombe der IS-Jihadisten in Homs in einem Wagen, der auf einem Autotransporter geparkt war. Ein zweites Fahrzeug explodierte kurze Zeit später in der Nähe. Videoaufnahmen zeigten ausgebrannte Autowracks auf einer breiten Straße.

Die Terrormiliz IS verlor am Wochenende im Norden Syriens inzwischen mindestens 50 Kämpfer bei Gefechten mit dem Regime östlich der umkämpften Stadt Aleppo, wo die Regimetruppen vorrückten.

Gespräche über Feuerpause

US-Außenminister Kerry sagte, er gehe davon aus, dass US-Präsident Barack Obama mit Kremlchef Wladimir Putin in den kommenden Tagen über die Einsetzung der Feuerpause sprechen werde. Der Diplomat betonte dabei, dass noch nichts abgemacht sei.

Russland bestätigte die Gespräche: Nach einem ersten Telefonat am Samstagabend hätten Lawrow und Kerry ihre Gespräche über die geplante Waffenruhe in Syrien fortgesetzt, teilte das Außenministerium in Moskau am Sonntag mit. Die syrische Regierung und die Opposition nannten am Samstag aber zahlreiche Bedingungen für eine Feuerpause.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, jetzt komme es darauf an, dass auch die Regionalmächte von ihrem Einfluss auf die kriegsführenden Parteien in Syrien Gebrauch machten, um das "jetzt offene Fenster der Gelegenheit" zu nutzen.

Die USA, Russland und wichtige Regionalmächte hatten sich vor einer Woche in München auf eine Waffenruhe geeinigt, die ursprünglich am Freitag hätte in Kraft treten sollen. Stattdessen nahm die Gewalt aber sogar noch zu. Russland fliegt in Syrien Luftangriffe aufseiten der syrischen Armee, die USA führen eine Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an.

Syriens Präsident Bashar al-Assad erklärte sich am Samstag unter Bedingungen zu einer Waffenruhe bereit. Der Machthaber sagte der spanischen Zeitung "El Pais" (Sonntag), Terroristen dürften eine Feuerpause nicht dazu ausnutzen, ihre Positionen zu verbessern. Zudem müssten andere Länder - vor allem die Türkei - daran gehindert werden, den Terroristen mehr Kämpfer, Waffen oder andere logistische Unterstützung zukommen zu lassen, hieß es in dem Interview.

Die syrische Opposition hatte am Samstag mitgeteilt, man werde einer Feuerpause nur dann zustimmen, wenn es internationale Garantien dafür gebe, dass sich das Regime, Russland und der Iran an diese hielten. Die letzten Erfolge der syrischen Regierungstruppen nördlich von Aleppo wurden von heftigen russischen Luftschlägen begleitet, bei denen Berichten zufolge auch viele Zivilisten starben.

(APA/dpa)

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