Eine Schlappe für Boliviens Sonnenkönig

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Präsident Evo Morales verliert das Referendum über eine Verlängerung seiner Amtszeit.

Evo Morales sieht sich als Junggeselle, der nur eine Liebe kennt. "Ich bin verheiratet mit Bolivien", sagt er. Mit dem Volk ist er eine Ehe eingegangen, die schon zehn Jahre andauert. Aber wie das manchmal so ist mit Ehen - es gibt eine schleichende Entfremdung. Der Präsident, der sich gern mit Blumenkränzen schmückt und in der Kultstätte Tiahuanaco als moderner Sonnenkönig inszeniert, hat nun offenbar erstmals von seinem Volk einen Denkzettel verpasst bekommen.

Den Prognosen zufolge hat er am Sonntag das Referendum, das ihm eine mit Hilfe einer Verfassungsänderung die Option einer Amtszeit bis 2025 eröffnen sollte, verloren. Während die Gegner schon feiern, spricht sein langjähriger Vizepräsident Alvaro Garcia Linera von einem "technischen Unentschieden" - man müsse erst das endgültige Ergebnis abwarten, das erst in einen Tagen bekannt sein könnte. Aber klar ist: Vom Wahlziel 70 Prozent "Si" ist Morales weit entfernt.

Anführer der Koka-Bauern

Er machte sich als Anführer der Kokabauern einen Namen, getragen von sozialen und indigenen Bewegungen begann die Erfolgsgeschichte seiner Bewegung zum Sozialismus ("Movimiento al Socialismo" - MAS). Anfang 2006 wurde er als Präsident vereidigt und erreichte 2009 eine erste Verfassungsänderung, um sich wiederwählen lassen zu können. Da die erste Amtszeit wegen der neuen Verfassung nicht mitgezählt wurde, konnte er 2014 erneut antreten und wurde bis 2020 wiedergewählt.

Anfangs wegen seines gestreiften Pullis belächelt, hat er gute Drähte zu den Präsidenten Chinas und Russlands, auch Deutschland sieht im 56-Jährigen einen interessanten Partner, auch wegen der Lithiumvorkommen, der Rohstoff wird für E-Auto-Batterien gebraucht. Bundespräsident Heinz Fischer hatte Morales im September einen Besuch abgestattet.

Hang zum Personenkult

Er hatte lange Zeit den Vorteil einer schwachen Opposition - und die Verringerung der Armut stärkte ihn. Aber der MAS entwickelte auch autoritäre Tendenzen und der Frühaufsteher Morales, der auch schon einmal um 6.00 Uhr zum Interview bittet, einen Hang zum Personenkult. Er inszeniert sich als erster indigener Präsident des Landes, die Bevölkerungsmehrheit der Quechuas und Aymara war lange sein Rückhalt.

Doch in der einstigen Hochburg El Alto, der zweitgrößten Stadt, bröckelte der Rückhalt zuletzt. 2015 verlor der MAS nach Korruptionsskandalen das Bürgermeisteramt an Soledad Chapeton von der Oppositionspartei Unidad Nacional. Und als vergangene Woche nach einer Demo das Rathaus von El Alto gestürmt, Feuer gelegt wurde und sechs Menschen starben, wurden "Evo: Mörder"-Plakate aufgehängt - der MAS-Politiker Wilmer Sarzuri wurde als Rädelsführer verdächtigt und sitzt im Gefängnis.

Affäre um uneheliches Kind und Minderjährige

Zudem wird Morales vorgeworfen, in El Alto ein teures Atom-Zentrum bauen zu wollen, statt mehr Geld für Schulen auszugeben. Auf seiner Habenseite ist das Wachstum von im Schnitt 4,9 Prozent und die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens von 1.120 auf 2.870 US-Dollar (2.587 Euro), auch dank der Einnahmen aus dem verstaatlichten Rohstoffgeschäft. Doch der gefallene Erdgaspreis ist eine Hypothek für den weiteren Ausbau des Verkehrs- und Transportnetzes. Am spektakulärsten ist bisher ein Seilbahnnetz, das El Alto auf 4100 Meter Höhe mit La Paz verbindet.

Sehr schädlich war für ihn im Wahlkampf sicher die Veröffentlichung, dass er 2007 Vater eines bisher unbekannten Sohn geworden war. Die Mutter des Kindes, das früh starb, damals noch minderjährig, arbeitet heute als Managerin bei der chinesischen Firma CAMC Engineering, die vom bolivianischen Staat Aufträge im Wert von rund 560 Millionen US-Dollar erhalten hat. Wie angewidert der Präsident vom Vorwurf der Mauschelei war, zeigte seine Reaktion. "Das ist ein schmutziger Krieg", wetterte Morales.

(APA/DPA)

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